Bisher ist „Aufstehen“, die von Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine ins Leben gerufene linke Sammlungsbewegung, nicht viel mehr als eine Internetseite. Besucher können sich dort in kurzen Texte über „Aufstehen“ informieren und vor allem Videos ansehen, in denen Menschen erklären, warum sie bei „Aufstehen“ dabei sind und welche Ziele sie in der Bewegung verfolgen wollen.
Am morgigen Dienstag wird sich das ändern. Dann will die Linken-Fraktionsvorsitzende Wagenknecht in der Bundespressekonferenz die Katze aus dem Sack lassen und erklären, was genau „Aufstehen“ werden soll und welche prominenten Unterstützer dabei sind. Bisher ist nämlich vor allem bekannt, was die Sammlungsbewegung nicht werden soll: eine neue linke Partei. Nachdem Wagenknecht Anfang des Jahres noch eine neue „linke Volkspartei“ gefordert hatte, war sie hinter diese Forderung zurückgetreten. Abzuwarten ist, ob es dabei bleibt.
Spaltung statt Einigung
In der Linkspartei jedenfalls sind sie sich da offenbar nicht ganz sicher. Zwar richte sich die Bewegung nicht gegen die Linke sondern spräche „in erster Linie unzufriedene Sozialdemokraten und Grüne an“, sagte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger am Montag in einer Pressekonferenz. „Aber viel wird davon abhängig sein, ob diese Stoßrichtung bleibt.“ Sollte der Eindruck entstehen, die Linke werde geschwächt, werde sich die Partei gegen die Sammlungsbewegung wehren. Eine Partei, die sich gegen eine Sammlungsbewegung ihrer eigenen Fraktionsvorsitzenden wehrt – das wäre eine Premiere.
Die Schwächung der Linken, da zielt er wohl vor allem auf eine noch weitere Aufspaltung des politischen Lagers links der Mitte. Die Vorstellung, mit „Aufstehen“ könnte neben SPD, Grünen und der Linkspartei eine weitere linke Partei entstehen, sorgt in diesen Parteien für erhebliche Unruhe. Denn so würde der Traum der deutschen Linken von einer rot-rot-grünen Bundesregierung in noch weitere Ferne rücken, als dies im Moment ohnehin schon der Fall ist.
Der Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD, Matthias Miersch, bekundete auch prompt seine Skepsis, ob der Bewegung an einer Einigung der linken Kräfte gelegen sei. „Gerade scheinen sie eher die Spaltung der Linkspartei voranzutreiben“, sagte Miersch. Und der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, ließ sich im Handelsblatt gleich mit den Worten „Lafontaine und Wagenknecht sind die größten Hindernisse für Rot-Rot-Grün“ zitieren. Nach Einigung klingt das freilich überhaupt nicht.
Linke Furcht vor rechten Positionen
Eine weitere Furcht, die die Linkspartei umtreibt: Die in den Medien ohnehin fast allgegenwärtige Wagenknecht könnte „Aufstehen“ vor allem als eine Bühne zur persönlichen Inszenierung benutzen. Vielleicht sogar, um ihren in der Partei scharf kritisierten Positionen in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik neuen Druck zu verleihen. Wagenknecht sprach sich immer wieder für eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland aus, musste sich dafür Nähe zur AfD vorwerfen lassen.
Hinter ihrer Forderung nach einer begrenzten Zuwanderung steckt Wagenknechts Auffassung von der Zielgruppe einer linken Politik. Während ihre parteiinterne Konkurrentin, die Parteivorsitzende Katja Kipping, vor allem die urbanen, grünen Milieus ins Auge fasst, sieht Wagenknecht linke Wähler eher da, wo in der letzten Zeit die Wähler der AfD verortet werden. Mit der Forderung, „jeder, der möchte, sollte nach Deutschland kommen können und Anspruch auf die landesüblichen Sozialleitungen haben“ verprelle man jene Menschen, „die sich mit ihren Problemen und Nöten von uns nicht mehr ernstgenommen fühlen“, sagte Wagenknecht der „Leipziger Volkszeitung“ im Juni.
Viele Parteigenossen wollen einen liberalen Umgang mit Flüchtlingen
Viele ihrer Parteigenossen, allen voran die beiden Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger, sehen das anders, wollen eine liberale Migrationspolitik. Diesen Riss zwischen Fraktions- und Parteiführung abzudecken, hat die Partei in der ersten Jahreshälfte viel Mühe gekostet. Umso beunruhigender muss der Parteiführung da die Vorstellung einer Sahra Wagenknecht mit eigenem Forum erscheinen, das am Ende quasi-AfD-Forderungen übernimmt. Nächstes Jahr stehen für die Partei wichtige Wahlen an, neben Brandenburg wählt auch Sachsen ein neues Parlament. Beide Länder sind linke Hochburgen– eine strategische Diskussion über eine so sensible Frage wie die nach einer Steuerung der Zuwanderung kann und will sich die Partei da kaum leisten.
Man dürfe nicht in die Falle tappen, die Kämpfe um soziale Sicherheit und die Kämpfe um Freiheitsrechte gegeneinander auszuspielen, sagte Kipping denn auch am Sonntag in der ARD. Wen sie damit kritisiere, wollte der stellvertretende Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios, Thomas Baumann, prompt von ihr wissen. Die Antwort blieb Kipping ihm schuldig.
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