Nach den Ausschreitungen in Chemnitz gewinnt die Debatte über eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz an Fahrt. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sprach sich in der "Welt" vom Montag dafür aus, eine mögliche Kooperation zwischen der AfD und Rechtsradikalen vom Verfassungsschutz beobachten lassen.
CDU-Parteivize Thomas Strobl bekräftigte seine Forderung nach einem härteren Kurs des Verfassungsschutzes gegenüber der AfD. Bedenken äußerte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).
"Die Flüchtlingsfrage spaltet die Gesellschaft, und die AfD reitet immer radikaler auf dieser Welle", sagte Oppermann der "Welt". "Deshalb muss der Verfassungsschutz das arbeitsteilige Zusammenwirken von AfD und Neonazis sehr genau beobachten", forderte er. Oppermann warf der AfD vor, die Grundlagen des Rechtsstaats direkt anzugreifen und zu Gewalt aufzuwiegeln.
In Chemnitz war es nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen in den vergangenen Tagen mehrfach zu Demonstrationen rechter Gruppierungen wie der AfD gekommen, es gab auch Angriffe auf Ausländer.
AfD rutsche "ins Rechtsradikale"
Strobl sagte der "Augsburger Allgemeinen", die AfD rutsche "ins Rechtsradikale". Die Vorgänge in Chemnitz zeigten "noch einmal sehr deutlich, dass der Verfassungsschutz zumindest weiter ein sehr scharfes Auge auf die AfD haben muss". "Wenn die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen, muss freilich ganz schnell gehandelt werden."
Sachsens Vizeministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte der "Welt", bei der AfD seien namhafte Politiker dabei, die er als "Postfaschisten" bezeichne. "Wir müssen uns aus der Geiselhaft der AfD befreien", forderte er. Ihn interessierten "die Wähler der AfD mehr als diese Partei, die von der Manipulation der Menschen und deren Angst lebt".
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther äußerte derweil Bedenken hinsichtlich einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Dies würde dazu führen, "dass die AfD in eine Märtyrerrolle fällt", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Weder stehe das der Partei zu, "noch wäre dies hilfreich in der Auseinandersetzung mit radikalen politischen Kräften, gleich ob rechts- oder linksradikal". Nicht nur alle demokratischen Parteien, sondern jeder Demokrat sei aufgerufen, die politische Auseinandersetzung mit der AfD zu suchen.
Seehofer wird Untätigkeit vorgeworfen
Am Wochenende hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) eine härtere politische Auseinandersetzung mit der AfD gefordert. Aus der AfD heraus werde "Beihilfe zum Rechtsradikalismus" geleistet, sagte Kauder. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Wochenende, die Voraussetzungen für eine Beobachtung der AfD "als Ganzes" lägen für ihn derzeit nicht vor.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf Seehofer in diesem Zusammenhang Untätigkeit vor. "Nach den klaren Worten von Volker Kauder ist das dröhnende Schweigen von Innenminister Seehofer peinlich, unverantwortlich und entlarvend", sagte Bartsch der "Welt" vom Montag. Er habe bei den Demonstrationen am Samstag in Chemnitz gesehen, dass es "keine Grenze zwischen Rechtsextremisten und der AfD" gebe.
AfD-Fraktionschef weist Vorwürfe zurück
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte der Zeitung, ihn freuten "die klaren Worte von Volker Kauder zur AfD und seine aufrichtige Besorgnis um unsere Demokratie". Diese Deutlichkeit in der Sprache habe ihm in den vergangenen Tagen bei Seehofer gefehlt. "Wir brauchen jetzt eine echte Demokratieoffensive auf allen Ebenen", sagte Kellner der "Welt".
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte der Zeitung, Kauders Äußerungen seien "dummes Zeug und völlig absurd". Die AfD-Bundestagsfraktion unterstütze nirgendwo Rechtsextremisten. "Es ist der Versuch Kauders, uns mundtot zu machen und aus dem demokratischen Diskurs auszugrenzen, weil wir von immer mehr Bürgern Zuspruch bekommen", sagte Gauland der "Welt". Kauder wolle die AfD wieder in die Nähe der Beobachtung durch den Verfassungsschutz bringen, nachdem Seehofer dies "richtigerweise" abgelehnt habe.
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