Selbstbewusst, redegewandt, schlagfertig: Friedrich Merz präsentierte sich vor der Hauptstadtpresse, als wäre er nur mal ganz kurz weggewesen. Und er tat, was auch die anderen Bewerber um den CDU-Vorsitz tun werden – er präsentierte sich als Kraft der Mitte. Wenn‘s konkret wird, wird es richtig spannend im Dreikampf zwischen Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn. Die CDU hat echte Alternativen.
Nie waren die drei Kandidaten so weit voneinander entfernt wie am Montag dieser Woche. Nie werden Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn politisch so nah erscheinen, wie am 8. Dezember, wenn die Entscheidung um den CDU-Vorsitz dann tatsächlich fällt. Alle drei Kandidaten verbindet nämlich eins: Sie müssen politisch ein möglichst großes Feld abdecken, sonst haben sie keine Chance.
Beim Treffen mit den Parteifreunden im Hamburg mag es vielleicht gerade noch so angehen, nur einzelne mächtige Gruppen zu bedienen. Aber später, wenn sie irgendwann als Kanzlerkandidaten punkten wollen, ist die „volle Breitseite“ ein Muss. Wer eine Volkspartei zum Erfolg führen will, braucht nun einmal richtig viel Volk. Eine gewähnte Elite reicht da nicht.
Auf „Mitte“ getrimmt
Friedrich Merz hat heute bei seiner Rückkehr nach Berlin vorgemacht, wie das geht. Der frühere Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag präsentierte sich vor den Hauptstadtjournalisten als Politiker mit Großflächen-Profil. „Die CDU braucht jetzt Aufbruch und Erneuerung", drängt Merz. Und wohin des Wegs? Der Jurist aus dem Sauerland sieht die CDU nicht als klar konservativ verankerte Kraft, sondern als „große Volkspartei der Mitte“, in der Liberale, Wertkonservative und diejenigen, „die sich sozialpolitisch engagieren“, ihren Platz haben.
Ein Volk von Aktienbesitzern
Als Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Blackrock-Tochter steht er für das, was viele mit großem Misstrauen als „Großfinanz“ titulieren. Das ist der Stoff aus dem politische Konkurrenten im Nu ein Feindbild zimmern. Merz macht aus einem möglichen Manko flugs eine Tugend. Seine Antwort: mehr Teilhabe für alle. Der spezielle Hebel des Finanzexperten: Aktien für möglichst viele. „Deutschland hat eine viel zu kleine Zahl von Aktionären.“
Der Mann weiß, wo seine Schwächen sind – oder wo Beobachter Schwächen ausmachen könnten. Denn der Kampf um die Mehrheiten in Deutschland ist der Kampf um die Mitte. Und so betont Merz fast übereifrig, dass die CDU mehr Junge und mehr Frauen ansprechen muss. Und dass ihm Umweltschutz wichtig ist, hat er auch noch irgendwie in der 20-minütigen Pressekonferenz erwähnt. Wer als kraftstrotzender Kerl im Stil der 90er Jahre daherkommt, kann in Deutschland im Jahr 2018 keine Wahlen gewinnen. Merz gibt sich offen, und das ist klug.
Dass er den Kampf gegen das Abwandern großer Gruppen an die politischen Ränder aggressiver aufnehmen will, hat er bei alledem allerdings schon sehr deutlich gemacht. Zugleich aber lobte er, dass die Grünen das Lebensgefühl vieler Menschen in den Städten sehr gut politisch beantwroten. Wer also dachte, Merz wolle vor allem der AfD Wähler abspenstig machen, sah sich getäuscht. Er schaut – um die alten Koordinaten zu bemühen – nach rechts und links.
Gedränge in der Mitte
So wie Merz heute werden auch die beiden anderen Kandidaten in den nächsten Wochen signalisieren, dass sie – eigentlich – Kandidaten für ganz breite Teile der Bevölkerung sind. Spahn wird, damit hat er schon begonnen, das Soziale stärker betonen als in den zurückliegenden zwei Jahren. Und Annegret Kramp-Karrenbauer wird ihre konservativen Antworten auf ethische Fragen und einen rigiden Kurs in der Sicherheitspolitik mehr hervorheben. Auch wird sie sich noch etwas stärker von Angela Merkel abgrenzen, weil die Mehrheit in der Partei in der Einwanderungspolitik mehr Härte will, als die Kanzlerin sie kommuniziert hat.
Die CDU wird demnach ihre Plakate mit der Aufschrift „Die Mitte“ dann wohl noch eine Weile verwenden können, unabhängig davon, wer in sechs Wochen an die Spitze rückt.
Spannend werden erst die Details
Also: Alles eine Soße, drei Varianten derselben CDU-Politik? Natürlich nicht. Am Ende wird durchaus erkennbar sein, dass Merz und Spahn dem Wirtschaftsflügel etwas näherstehen und Kramp-Karrenbauer dem Sozialflügel. Richtig spannend wird das Rennen, sobald die Kandidaten ins Detail gehen. Wie soll die Zusammenarbeit mit der Kanzlerin aussehen? Wollen sie Schlüssel-Entscheidungen der Merkel-Ära zurückdrehen? Wie stellen sich eine gerechte Alterssicherung vor? Zu wessen Gunsten, zu wessen Lasten wollen sie die Steuerpolitik nachjustieren? Und: Für Europa sind sie alle – aber was wollen sie genau?
Sobald die drei bei den geplanten Regionalkonferenzen richtig in Fahrt kommen, werden sich Unterschiede zeigen. Den CDU-Delegierten werden im Dezember nicht etwa drei Varianten, sondern echte Alternativen präsentiert. Und das ist zunächst einmal eine richtig gute Nachricht.
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