Herausfordernd, beinahe angriffslustig schaut Natascha Kohnen von den zahlreichen SPD-Wahlplakaten, die in München hängen. Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt und die SPD steht aktuellen Umfragen zufolge vor dem nächsten politischen Rückschlag.
Gerade einmal elf bis 13 Prozent werden den Sozialdemokraten prognostiziert. Sogar ein Absturz auf Platz fünf ist denkbar, denn sowohl die Freien Wähler als auch die AfD können ähnliche Umfragewerte vorweisen.
Eine, die dieser Tage alles versucht, um die SPD wieder hochzuziehen, ist ebenjene Natascha Kohnen. Die Spitzenkandidatin der SPD in Bayern kämpft gegen die Umfragewerte – und gegen die eigene Parteiführung. Dass sie nur drei Wochen vor der Landtagswahl einen Brandbrief an die SPD-Spitzen schrieb, in dem sie die Haltung in der Causa Maaßen offen kritisiert und auffordert, dagegen zu handeln, spricht Bände. In Bayern fürchtet man, an der Wahlurne für die GroKo-Querelen der Bundespartei abgestraft zu werden.
Sie nennt die CSU "populistisch", kann aber auch selbst gut attackieren
Spitzenkandidatin Kohnen wurde 1967 in eine „hochpolitische Familie“ hineingeboren, wie sie kürzlich im Gespräch mit Justizministerin Katarina Barley bei ihrer Wahlkampfreihe „KohnenPLUS“ verriet. Sie habe sich von Anfang an für Politik begeistert, auch ihre Schule habe daran einen großen Anteil gehabt. In die SPD trat sie jedoch erst im Jahr 2001 ein. Bei „KohnenPLUS“ begründete sie das damit, dass sie erst da das Gefühl gehabt hätte, wirklich etwas in der Politik bewegen zu müssen. Sie bekleidete seitdem verschiedene SPD-Posten in und um München, wurde 2008 als Abgeordnete in den Bayerischen Landtag gewählt und stieg 2015 in den Bundesvorstand der SPD auf. Eineinhalb Jahre später wurde sie schließlich mit deutlicher Mehrheit zur SPD-Landesvorsitzenden in Bayern gewählt.
Kohnens Wahlkampf orientiert sich zu einem nicht unerheblichen Teil an der „alten“ SPD, eine Rückbesinnung auf klassisch sozialdemokratische Themen: Mietpreisbremse, bezahlbares Wohnen und kostenfreie Kitaplätze. SDie CSU sei ihr viel zu populistisch, von derart „derbem Attackieren“ halte sie nichts, wie sie dem „Merkur“ sagte.
Keine Einladung zum TV-Duell
Vom Attackieren versteht sie jedoch selbst etwas, das zeigt der andere Teil der Kohnen-Strategie: Der bisherige SPD-Wahlkampf war von kritischen, oft scharf formulierten Aussagen gegenüber der CSU um Ministerpräsident Markus Söder und Bundesinnenminister Horst Seehofer durchzogen. Die CSU stehe für ein „überhebliches und arrogantes Bayern“, Markus Söder habe das Land gespalten.
Die Attacken der SPD auf die Christsozialen verpufften jedoch bisher. Der Grund: Die SPD wird in Bayern einfach nicht mehr als besonders relevant empfunden. Die Grünen liegen in Umfragen mittlerweile sechs bis sieben Prozent vor den Sozialdemokraten, Freie Wähler und AfD holen kontinuierlich auf. Zum traditionellen TV-Duell vor der Landtagswahl am vergangenen Mittwoch wurde erstmals in der Geschichte der TV-Duelle niemand von der SPD, sondern der Spitzenkandidat der Grünen, Ludwig Hartmann, eingeladen.
Umfrage: Sollte Kanzlerin Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, um zu prüfen, ob sie noch ausreichend Rückhalt im Parlament hat?
Für diese Entscheidung hagelte es Kritik aus der SPD. Der Bayerische Rundfunk, Ausrichter des Duells, würde „Wahlmanipulation“ betreiben. Die lapidare Antwort von BR-Chefredakteur Christian Nitsche: Die SPD werde nicht als Herausforderer wahrgenommen, also werde sie auch nicht eingeladen. Eine Aussage, die das Problem der Bayern-SPD zusammenfasst.
SPD-Mitglieder kritisieren Kohnen für bundespolitischen Einsatz
Für Natascha Kohnen persönlich wäre die befürchtete Wahlniederlage mit dem Abrutschen in die politische Bedeutungslosigkeit als zweit- oder drittstärkste Oppositionspartei zwar ein Debakel, würde aber ihren Ambitionen, auch in der Bundespolitik Karriere zu machen, keinen wirklichen Dämpfer versetzen. Stellvertretende Bundesvorsitzende ist sie bereits, engagiert sich auch in der Berliner Politik, vor allem, wenn es um die Wohnungspolitik geht.
Mancherorts hält man ihr das in Bayern sogar vor. Am Rande der „KohnenPLUS“-Veranstaltung sagte ein langjähriges SPD-Mitglied gegenüber FOCUS Online, dass Kohnen sich sowieso nur auf die Bundespolitik vorbereite und die Bayern-SPD dafür ein Stück weit vernachlässige.
Hier den Politik-Newsletter abonnieren
Berichte, Videos, Hintergründe: FOCUS Online versorgt Sie täglich mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Politik-Ressort. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.
Von Vernachlässigung kann derzeit angesichts der zahlreichen Wahlkampfauftritte wohl keine Rede sein, genauso wenig kann man ihr fehlendes Engagement unterstellen. Ein starkes Wahlergebnis hat Kohnen dennoch nicht zu erwarten. Nach der Landtagswahl dürfte die Situation anders aussehen: Diesmal steht eine Regierungsbeteiligung der SPD kaum zur Debatte.
No comments:
Post a Comment