Die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine, angespannt seit der Annexion der Krim durch russische Streitkräfte im März 2014, haben mit den jüngsten Zwischenfälle in der Straße von Kertsch, zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer, einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Überraschend erklärte der türkische Staatspräsident Erdogan nun, die Türkei wolle zwischen den beiden Konfliktparteien vermitteln. Ob Ankara für dieses Vorhaben einen konkreten Plan hat, ist nicht bekannt. Die beiden Parteien reagierten verhalten auf Erdogans Vorschlag. Sowohl Russland als auch die Ukraine erklärten auf dem G-20-Gipfel in Buenos Aires, sie bräuchten keinen Vermittler.
Gegenüber der Deutschen Welle erklärten türkische Regierungsvertreter, Erdogan werde auf dem G-20-Gipfel mit Russlands Präsident Putin zusammenkommen und mit ihm über alle Aspekte der Krise sprechen. Ankara will Russland konkret auffordern, die Krise nicht weiter eskalieren zu lassen. Außerdem, so Regierungsvertreter weiter, wolle Erdogan Putin sagen: "Den Kampf mit dem Westen auf dem Rücken der Ukraine auszutragen, ist zwecklos". Zudem werde Erdogan auf die türkisch-russische Zusammenarbeit in Syrien verweisen und den Wunsch äußern, dass sich Russland mehr auf Syrien als auf die Ukraine konzentriert.
„Die Türkei versucht international mitzuwirken"
Kerim Has von der Staatsuniversität Moskau erklärt, die Türkei habe sich von Anfang an kritisch zur russischen Annexion der Krim geäußert und sich auf die Seite der Ukraine gestellt. "Wenn die Türkei als Vermittler agiert, eröffnet sie eine Diskussion darüber, wo sie sich in diesem Konflikt positioniert. Russland wird die Türkei auffordern, sich zurückzuziehen", so Has. Die Ukraine werde ähnlich reagieren. Has verweist darauf, dass beide Seiten sich deutlich gegen die Türkei als Vermittler ausgesprochen haben. "Die Türkei versucht sich auf dem internationalen Parkett zu zeigen. Dabei geht es ihr um das eigene Prestige. Es gibt aber nichts, das sie in diesem Fall tun könnte. Die Türkei sollte hinsichtlich ihrer Außenpolitik doch eher realistisch bleiben", so Has.
Soli Özel, Experte für Internationale Beziehungen, erklärt, die Türkei versuche in globalen Angelegenheiten den Eindruck zu erwecken, ihr Wort sei von Bedeutung. Özel merkt an, dass Erdogan auf der einen Seite den Dialog zu Russland pflegt und auf der anderen Seite den ukrainischen Staatspräsidenten nach Ankara einlädt.
Innenpolitisch versuche Erdogan, der türkischen Öffentlichkeit das eigene Land als bedeutende Macht zu präsentieren, so Özel weiter. Özal geht jedoch davon aus, dass auch die Vermittlungsversuche in der Ukraine-Krise erfolglos bleiben.
Nihat Ali Özcan von der Stiftung zur Untersuchung der Wirtschaft und Politik der Türkei (TEPAV) erklärt: "Das ist keine Krise zwischen Russland und der Ukraine. Das ist eine Krise zwischen Russland und dem Westen. Wenn die Krise sich verschärft, wird die westliche Welt Erdogan fragen, auf wessen Seite er steht. Bei den Vermittlungsbemühungen besteht das Risiko, das die Türkei sich der Frage stellen müsse, ob sie auf der Seite des Westens oder auf der Seite von Russland ist."
In der Vergangenheit nahm die Türkei bereits die Vermittlerrolle zwischen russischen und amerikanischen Militärs ein und leitete die Gespräche zwischen ihnen nachdem im April der Verdacht auf Angriffe mit chemischen Waffen in Syrien aufgekommen war. Auch im November 2017 vermittelte die Türkei und erreichte die Freilassung von zwei krimtatarischen Politikern, die Russland festgenommen hatte.
*Der Beitrag "Ankara: Der Vermittler, den keiner will" stammt von Deutsche Welle. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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