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Saturday, March 2, 2019

Politik - Die Verunsicherungs-Konferenz

FOCUS Magazin | Nr. 9 (2019)
Politik: Die Verunsicherungs-Konferenz
Wie tief ist der transatlantische Riss? Beherrscht China bald die Welt? Ist Abrüstung passé? Das Münchner Sicherheitsforum lieferte mehr Fragen als Antworten.

Beim FOCUS Inner Circle im Rahmen des DLD Nightcap auf der Konferenz sprachen Ursula von der Leyen und ihr kanadischer Amtskollege Harjit Sajjan über die künftigen Herausforderungen. Von der Leyen war sichtlich erleichtert, dass es einmal nicht um marodes Bundeswehrmaterial, sondern um die großen weltpolitischen Linien ging. Kanada ist Europa viel näher als die USA, das war einmal mehr die Erkenntnis des Abends.

FOCUS: Frau von der Leyen, Herr Sajjan, wie wird die Welt von morgen aussehen? Werden wir in einer liberalen, amerikanisch dominierten Weltordnung leben oder in einer autoritären, von China beherrschten?

Ursula von der Leyen: Na, das ist ja eine ganz einfache Frage! Harjit, Sie dürfen zuerst.

Harjit Sajjan: Ich persönlich schätze die liberale Demokratie sehr. Letztlich aber müssen wir den Menschen die Möglichkeit geben, sich selbst zu entscheiden. Dazu gehört es, ihnen eine Vision zu vermitteln. Unser Premier Trudeau hat so eine Vision formuliert: für Multilateralismus, eine verantwortungsbewusste Globalisierung, die Verbindung von Umwelt und Wirtschaft.

Deutsche haben mehr Angst vor den USA als vor China

FOCUS: In einer gerade für die Sicherheitskonferenz erstellten Studie des Pew-Instituts machen sich Deutsche und Kanadier mehr Sorgen wegen des zunehmenden Einflusses der USA als dem von China. Ist das übertrieben?

Von der Leyen: Vielleicht steckt hinter dieser Stimmung die Tatsache, dass wir natürlich viel mehr mit unseren amerikanischen Freunden zu tun haben als mit China. Deshalb fällt den Menschen auch mehr auf, welche Probleme wir mit ihnen haben, und die sind sogar viel intensiver als mit China. Trotzdem müssen wir dringend unseren Fokus auf China legen. Denn: Ob wir in einer autoritären Welt leben werden, hängt tatsächlich auch davon ab, in welche Richtung dieses Land geht.

FOCUS: Peking baut sein Militär kontinuierlich aus. Wie sollte man es in die internationale Sicherheitsordnung einbauen? Es gibt kein einziges Abrüstungsabkommen mit dem Reich der Mitte.

Von der Leyen: Ich glaube, der einzige Weg besteht darin, immer wieder hinzufahren und Kontakte zu pflegen. Je mehr wir über China wissen, desto besser. Und je enger die Beziehungen werden, desto größer auch das Interesse Chinas, diese zu erhalten. Dann ist es an uns zu zeigen, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt. Wenn sich zum Beispiel Hacker-Angriffe im Unternehmensbereich häufen, sollten wir das klar ansprechen. Peking wird dann möglicherweise selbst erkennen, dass es auch zum eigenen Nutzen wäre, mit uns offen umzugehen und befreundet zu sein. Als Präsident Trump erklärte, er werde den INF-Vertrag zum Verbot von Mittelstreckenraketen verlassen, war ich gerade in China. Das Abkommen ist zwischen den USA und Russland getroffen. Aber er sagte, der Vertrag sei von Russland und China gebrochen worden. Meine Gastgeber waren darüber ehrlich empört, die Nachricht, dass der US-Präsident zu Unrecht behauptet habe, China verstoße gegen den INF-Vertrag, beherrschte den ganzen Tag.

Sajjan: Wenn wir uns alle an eine regelbasierte Weltordnung halten, stellt das eine gewisse Berechenbarkeit sicher, auch wenn Prozesse schwierig werden. Wir haben ja gerade einen Disput mit China: Zwei Kanadier sind in Haft, darunter ein ehemaliger Diplomat. Wir müssen jetzt zeigen, dass diese internationale Ordnung dazu da ist, eingehalten zu werden. Ich glaube, es ist wichtig, dass China dieses Konzept versteht.

Von der Leyen: Die Chinesen denken nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten. Deshalb legen sie viel mehr Wert auf lang anhaltende Beziehungen. Als ich dort war, zeigte man mir Fotos meiner Eltern, die vor 35 Jahren die Provinz Anhui besucht hatten. Man wollte sehr höflich sein und mir ein Geschenk machen. Das hat mir viel über die chinesische Wahrnehmung verraten, was Beziehungen angeht. Ich bin sicher, dass wir über Werte und Regeln diskutieren können. Man sollte über China keine Schwarz-Weiß-Diskussionen führen: Entweder ist es fantastisch, weil es einen riesigen Markt bietet, oder eine Katastrophe, weil es so anders und groß ist. Wir müssen subtile und intelligente Möglichkeiten des Umgangs finden. Aber wir sollten auch eine gewisse Stärke zeigen.

Chinesische Raketen bedrohen Russland - neue Lösungen müssen her

FOCUS: Lässt sich der bestehende INF-Vertrag noch retten? Oder lässt sich China integrieren?

Von der Leyen: Wir sprechen über den fünften vor dem ersten Schritt. Wenn man einen Kreis um China herumzeichnet, sieht man, dass Russland von den chinesischen Mittelstreckenraketen erreicht werden kann. Plötzlich erkennt man also durch einen anderen Blick auf die Karte, dass Russland ein Interesse daran haben muss, China in irgendeine Art von Abrüstungsvertrag einzubeziehen. Denn so wie die russischen Raketen eine Bedrohung für Europa sind, sind es die chinesischen für Russland.

Sajjan: Ich glaube, man kann noch nicht sagen, dass der Vertrag nicht mehr zu retten ist. Wir Kanadier glauben an Nichtverbreitung und Abrüstung.

Von der Leyen: Es ist gut, dass wir jetzt noch sechs Monate Zeit haben. Bei dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister haben wir jedenfalls absolut klargestellt, dass die alten Antworten aus den achtziger Jahren (Rüstungswettlauf, die Red.) nicht mehr passend sind.

Cybersicherheit: Lücken schließen

FOCUS: Eine der größten Herausforderungen in den nächsten Jahren wird die Cyber-Sicherheit sein. Sind Sie gerüstet?

Sajjan: Wir werden bald ein Gesetz verabschieden, mit dem wir die Lücken zu einigen unserer Verbündeten schließen. Bisher blieb Kanada dabei weit unter seinen Möglichkeiten. Wir schützen mit der neuen Gesetzgebung unsere Wirtschaft: Jedes kleine Unternehmen kann bei mir einfach anrufen, um sicherzustellen, dass es an dem neuen Cyber-Sicherheitssystem beteiligt wird. Wir müssen vor allem auch die richtigen Leute gewinnen und da kontinuierlich investieren.

Von der Leyen: Bis vor fünf Jahren waren Spezialisten für Digitalisierung und Cyber-Fragen überall in der Bundeswehr verstreut. Als Erstes haben wir dann alle Experten in ein Cyber-Kommando gesteckt, wir haben nun 15.000 Cyber-Soldaten. Jetzt sind wir plötzlich auch für unsere israelischen und amerikanischen Freunde interessant. Dadurch bekommen wir einen unglaublichen Wissenszuwachs.

FOCUS: Der Erfolg des Silicon Valley beruht auch auf Investitionen durch das Militär. Glauben Sie, ein ähnliches, von Deutschland vorangetriebenes Investitionsprogramm könnte auch für Europa Erfolg haben?

Von der Leyen: Im Durchschnitt dauert es 200 Tage, bis eine Organisation bemerkt, dass sie gehackt wurde. Dann dauert es etwa 30 Tage, bis man diesen Prozess stoppen, nicht etwa beseitigen kann. Das heißt, man braucht eine enorme Zahl an Spezialisten, um auf einen schweren, kritischen Angriff reagieren zu können. Deshalb wäre ein europäisches Cyber-Sicherheitszentrum eine hervorragende Idee. Man könnte alle Spezialisten zusammenziehen. Tatsächlich sind wir ja auch auf dem Weg dazu. Dies wird nicht nur in Deutschland vorangetrieben, sondern auch in der EU und in der Nato.

Sajjan: Wenn ein Unternehmen gegründet wird, beschäftigt es sich in der Regel nicht mit Cyber-Sicherheit. Aber wir wollen erreichen, dass das eine nationale Angelegenheit wird, mit der man sich von Tag eins an befasst. Cyber-Sicherheit muss ein Teil der unternehmerischen Wachstumsstrategie werden. Wir prüfen auch eine offizielle Zertifizierung mit einer Art Siegel. Wir wollen damit bewerten, wo ein Unternehmen steht und welches Vertrauen die Verbraucher in dieses Unternehmen haben können.

Afghanistan: Von der Leyen sieht Truppenabzug an Friedensprozess gebunden

FOCUS: Ein anderes Thema dieser Konferenz ist Afghanistan. Dort haben Sie, Herr Sajjan, eigene Erfahrungen als Kommandeur gesammelt. Welche Folgen wird der Abzug von US-Soldaten haben? Und, Frau von der Leyen, werden nun bald die letzten 1200 Bundeswehrsoldaten nach Hause kommen?

Von der Leyen: Es gilt der Grundsatz: gemeinsam rein und gemeinsam raus. Bei der jüngeren Generation der Afghanen können 80 Prozent inzwischen lesen und schreiben. Das kann ihnen niemand mehr nehmen. Aber natürlich ist die Lage derzeit sehr schwierig. Ein Drittel der Bevölkerung wird von den Taliban kontrolliert. Langsam, aber sicher geben wir die Verantwortung an die afghanischen Streitkräfte ab, auch wenn das ein harter Job ist. Wir sind überzeugt, dass wir einen langen Atem brauchen, strategische Geduld, und dass wir länger bleiben müssen und das afghanische Volk jetzt nicht allein lassen dürfen. Denn der einzige Faktor, der uns einen Rückzug erlauben würde, ist Fortschritt im Friedensprozess.

Sajjan: Ich war dreimal in Afghanistan. Unsere vorherige Regierung hatte alle Missionen aus Afghanistan abgezogen, und es machte für uns keinen Sinn, da wieder hineinzugehen. Derzeit konzentrieren wir uns auf den Irak. Das Stadion im südafghanischen Kandahar, wo die Taliban ihren Siegeszug begonnen haben, wurde früher benutzt, um Frauen zu steinigen und Menschen zu enthaupten. Heute spielen dort Kinder Fußball, Mädchen gehen zur Schule. Das mag unbedeutend sein. Aber wir haben tatsächlich enorm viel für die Menschen verändert. Letztlich müssen die Afghanen aber selbst entscheiden, wie sie leben wollen.

Im Video: Sicherheitskonferenz: Der Tag begann mit einem Lächeln von Ivanka – dann taten sich die Gräben auf

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