Erstmals seit fünf Jahren ist der meistgesuchte Mann der Welt wieder in einem Propaganda-Video aufgetreten: In dem am Montag von der Terrormiliz IS veröffentlichten Video droht der Anführer Abu Bakr al-Baghdadi dem Westen.
Er spricht darin von den monatelangen Kämpfen um Baghus, dem letzten Rückzugsort der Terrormiliz in Syrien, der im März fiel. "Der Kampf um Baghus ist vorbei", sagt der IS-Führer. Er erwähnt auch weitere Niederlagen des IS, unter anderem im nordirakischen Mossul und im libyschen Syrte.
Al-Baghdadi betont jedoch, der Kampf des IS gegen den Westen sei eine "lange Schlacht". Er droht zudem, der IS werde "Rache nehmen" für seine getöteten Kämpfer. "Es wird noch mehr passieren nach diesem Kampf", sagt er.
Terror-Experte Rolf Tophoven erklärt im Gespräch mit FOCUS Online, welche Hinweise das Video auf die neue Strategie des IS gibt.
„Weltweites Netzwerk soll aktiviert werden“
„Das Video soll den Kämpfern des IS demonstrieren: ‚Wir sind die Führung des IS und sind nach wie vor funktionsfähig‘“, sagt Tophoven. „Das ist das Signal für die Kämpfer, eine Botschaft. Das ist die Sprengkraft, die von dem Video ausgehen soll.“
Es richte sich damit vor allem an tausende Kämpfer, die ausgebildet wurden, als der sogenannte Islamische Staat verschiedene Gebiete im Irak oder Syrien unter der Kontrolle hatte und Kampferfahrungen gesammelt haben. „Diese Kämpfer sind nun in viele Länder zerstreut und können als weltweite Zellen des IS interpretiert werden“, erklärt der Terror-Experte. „Das weltweite Netzwerk aus früheren IS-Kämpfern soll durch solche Propaganda-Videos neu aktiviert werden.“
Neue Strategie
Dabei verfolge der IS nun eine neue Strategie: „Der Krieg soll im Untergrund weitergeführt werden und nicht in einer offenen Feldschlacht“, sagt Tophoven. „Unkalkulierbare Nadelstiche sollen hier und da gesetzt werden. Das zeigen auch die Anschläge in Sri Lanka.“
Diese hatte der IS für sich reklamiert. Bei den Attacken auf Kirchen und Hotels waren am Ostersonntag mehr als 250 Menschen getötet und fast 500 verletzt worden. In einer Passage des Videos, in der nur die Stimme von al-Baghdadi zu hören ist, bezeichnet er die Anschläge in Sri Lanka als "Rache für ihre Brüder in Baghus".
Aus der Perspektive des IS sei das Video propagandistisch gut platziert, da es direkt nach den Anschlägen in Sri Lanka veröffentlich wurde, sagt Tophoven.
Parallelen zu anderen Terrormilizen
Bei dem Video könne man Parallelen zu anderen Terrormilizen ziehen. So würde die Machart an frühere terroristische Führer erinnern. Das Video zeigt den 47-Jährigen mit gekreuzten Beinen auf einem Polster. Er spricht zu drei Männern, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden.
„In dem aktuellen Video zeigt er eine kriegerische Attitüde, die an die frühen Phasen mancher Al-Kaida-Videos mit Bin Laden erinnern, denn al-Baghdadi ist in dem Video im Dialog mit anderen Kämpfern zu sehen“, sagt Tophoven.
Der einzige andere bekannte öffentliche Auftritt des IS-Anführers war Anfang Juli 2014 im nordirakischen Mossul in einer Moschee, bei dem er alle Muslime zum Gehorsam gegenüber dem "IS-Kalifat" aufgerufen hatte. Seitdem veröffentlichte seine Gruppe in unregelmäßigen Abständen Audiobotschaften, die von al-Baghdadi stammen sollen. In der Öffentlichkeit wurde der Iraker, der an Diabetes leidet, bis zu dem jetzt veröffentlichten Video nicht wieder gesehen.
Nach der Zerschlagung des "IS-Kalifats" blieb der Verbleib des IS-Führers zunächst ein Rätsel. Es war unklar, ob al-Baghdadi sich mit seinen letzten Kämpfern in der syrischen Wüste versteckt hatte, im Irak untergetaucht oder längst tot war.
Video für IS-Chef gefährlich
Das Video ist für den IS-Chef daher auch gefährlich. Denn nun hätten die internationalen Geheimdienste al-Baghdadi wieder in ihrem Fadenkreuz, sagt Tophoven. Allen voran die USA. Die Amerikaner haben auf ihn ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (22 Millionen Euro) ausgesetzt.
„Alle Anzeichen in Videos werden jetzt von den Nachrichtendiensten erneut wie ein Puzzle zusammengesetzt. Auch die elektronischen ‚Spürhunde‘ der Geheimdienste werden nun auf seine Spur angesetzt“, sagt Tophoven. „Denn er ist aus der Deckung gekommen und damit habe er sein eigenes Todesurteil gesprochen – früher oder später“, erklärt der Terror-Experte.
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