Was ist die AfD? Eine weitgehend harmlose Truppe von Ultra-Konservativen oder eine Partei mit klaren rechtsextremen Tendenzen?
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder scheint das klar: “Die AfD ist eine Partei mit bösen Gedanken“, sagte er beim CSU-Parteitag 2018 und wetterte mit Blick auf den rechtsnationalen AfD-Mann Björn Höcke: „Die AfD in Bayern ist der Ableger von Höcke. Franz Josef Strauß würde diese AfD bekämpfen.”
Seine Parteikollegin Sorya Lippert interpretiert diese Ansage auf ihrer Weise. Die zweite Bürgermeisterin der fränkischen Stadt Schweinfurt hielt jüngst ein Grußwort bei einer AfD-Veranstaltung. Sie verteidigt ihren Auftritt, sorgt aber sogar in der eigenen Partei für Kopfschütteln.
Foto mit AfD-Mann bei Eröffnung
Anlass war die Eröffnung des Bürgerbüros eines AfD-Abgeordneten in Schweinfurt am vergangenen Wochenende. Die lokale Presse veröffentlichte am Montag ein Foto der Bürgermeisterin und des AfD-Politikers Richard Graupner vor einem Plakat mit AfD-Logo, beide schauen zufrieden in die Kamera. Pflichtschuldig und ohne Hintergrund vermeldet die „Mainpost“ mit Berufung auf eine AfD-Pressemitteilung, dass die Bürgermeisterin in ihrem Grußwort auf die „langjährige verlässliche Zusammenarbeit zwischen ihr und Richard Graupner im Schweinfurter Stadtrat“ hingewiesen habe.
Dass sich Vertreter von Parteien gegenseitig besuchen und auch mal bei der Eröffnung neuer Räumlichkeiten der Konkurrenz auftauchen, ist politischer Alltag. Aber gilt das auch für die AfD und dann sogar durch die zweitwichtigste Repräsentantin der Stadt?
Lipperts Parteikollege Gerhard Eck meint: Nein. „Politisch habe ich dafür kein Verständnis“, sagte der unterfränkische CSU-Bezirksvorsitzende zu FOCUS Online. „Ich vermisse jegliches politisches Gespür. Nur aufgrund der langjährigen gemeinsamen Stadtratstätigkeit kann ich mir den Besuch bei der Büroeröffnung überhaupt erklären.“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag ist empört. „Joa, AfD-Mann und früherer Republikaner eröffnet Abgeordnetenbüro und die CSU-Bürgermeisterin gratuliert“, schreibt Katharina Schulze auf Twitter. „Noch mal zur Erinnerung: die AfD ist eine rechtsextremistische Partei.“
Graupner saß für Republikaner im Stadtrat
Auch der bayerische Rechtsextremismus-Forscher Martin Becher sieht den Auftritt sehr kritisch. „Es gibt gute Gründe, warum die demokratischen Parteien im bayerischen Landtag keinen Vertreter der AfD zum Vizepräsidenten gewählt haben. Deshalb ist es erstaunlich, wenn die Repräsentantin einer Stadt von dieser Gepflogenheit Abstand nimmt“, sagte er zu FOCUS Online. Der dadurch entstandene Eindruck einer „Normalisierung“ der AfD im demokratischen Prozess sei „fragwürdig“. Für Becher kommt erschwerend hinzu, dass es sich bei Graupner um ein ehemaliges Mitglied der Republikaner handelt.
Wer ist also dieser Richard Graupner? Der 56 Jahre alte gebürtige Kieler saß für die jahrelang vom Verfassungsschutz beobachtete Rechts-Partei im Stadtrat von Schweinfurt. Dies tat er zusammen mit Roderich Sell, der laut „Süddeutscher Zeitung“ ein stadtbekannter Neonazi ist. 2016 trat Graupner in die AfD ein und wurde nach dem Einzug der Partei in den Landtag 2019 deren Vize-Fraktionschef. Graupner, hauptberuflich Polizist, verweist in einem Interview darauf, dass er mit verfassungsfeindlichen Parteien „als auf den Rechtsstaat vereidigter Beamter nicht in Verbindung gebracht werden“ wolle.
Aber weiterhin scheint sich Graupner sehr wohl zu fühlen in Gesellschaft von stramm Rechten. So besuchte er im vergangenen Sommer einen Kongress der AfD-Jugend, bei dem etwa prominente Vertreter der Neuen Rechten und auch der Höcke-Gefolgsmann Andreas Kalbitz auftraten. Und wessen Geistes Kind er ist, zeigt ein Tweet von Graupner nach den Ausschreitungen in Chemnitz im vergangenen Sommer. Da heißt es: „Millionen illegaler Einwanderer, Mord und Totschlag im Land, der Volkszorn macht sich breit. Jeder Merkel-Unterstützer ist mitverantwortlich für alles was noch kommt.“
Bürgermeisterin verteidigt Auftritt
FOCUS Online wies Lippert in einem Fragenkatalog auf die Aussagen und die Vergangenheit Gaupners hin. Schweinfurts Vize-Bürgermeisterin wollte sich dazu nicht äußern und beantwortete auch andere Fragen nicht. Sie verteidigte aber ihren Auftritt bei der AfD-Veranstaltung in einer schriftlichen Stellungsnahme. Sie habe den Oberbürgermeister dabei vertreten und ihr Grußwort mit diesem abgesprochen. Lippert weist daraufhin, dass die Presseberichte auf einer Presseinformation der AfD basieren, die ihre Kritik an der Partei nicht widergebe. Vielmehr habe sie in ihrem Grußwort deutlich gemacht, dass sie „kein Verständnis für den Bedarf nach einer Alternative für Deutschland“ habe. Aufgrund ihrer eigenen Biographie, aufgewachsen in Pakistan, muslimischer Vater, habe sie „deutlich das Wort für Toleranz und Offenheit“ ergriffen.
Unklar bleibt, warum sie und der Oberbürgermeister es für nötig und richtig erachtet haben, trotz dieser Haltung diesem AfD-Abgeordneten die Aufwartung zu machen und ihm durch den offiziellen Besuch überhaupt die Gelegenheit für einen Propagandaerfolg zu geben. Lippert schreibt lediglich: „Mit Ignorieren und Weggucken ändere ich daran gar nichts, mit Kommunikation vielleicht doch.“
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