Meinungsforscher fragten mehr als 30.000 Menschen in 27 Staaten, ob sie zufrieden damit sind, wie die Demokratie bei ihnen funktioniert. In Deutschland zeigt sich eine beunruhigende Entwicklung: 17 Prozent mehr als im Vorjahr sind unzufrieden. Die Entwicklung bietet Nährboden für populistische Parteien.
In einer in Washington veröffentlichten internationalen Studie des Meinungsforschungsinstituts "Pew" sagten im vergangenen Jahr 43 Prozent der Befragten in Deutschland, sie seien nicht zufrieden damit, wie die Demokratie funktioniert. Das entspricht einem Anstieg um 17 Prozentpunkte verglichen mit dem Vorjahr.
In keinem anderen europäischen Land stieg damit die Unzufriedenheit so stark an wie in Deutschland. Mit 56 Prozent äußerte sich allerdings immer noch eine klare Mehrheit zufrieden über den Stand der Demokratie in der Bundesrepublik.
Nährboden für populistische Parteien
In Europa ist laut der Studie die Demokratie-Unzufriedenheit besonders in jenen Ländern hoch, in denen eine negative Sicht auf die EU weit verbreitet ist. Den gleichen Zusammenhang sehen die Autoren in den Ländern, die besonders kritisch der Migration gegenüberstehen. Was die Parteien betrifft, ist die Unzufriedenheit mit der Demokratie besonders unter Anhängern populistischer Parteien hoch. Zudem trägt auch steigende wirtschaftliche Unzufriedenheit zu steigender Kritik an der Demokratie bei.
Ohne die Fokussierung der AfD auf die Flüchtlingspolitik wäre ihr Einzug in den Bundestag fraglich gewesen. Zudem steht die Partei der EU sehr kritisch gegenüber. Daher überrascht es kaum, dass 69 Prozent der AfD-Sympathisanten unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland sind. Bei jenen Befragten, die der rechtspopulistischen Partei ablehnend gegenüberstehen, waren es hingegen nur 37 Prozent. Auch in mehreren anderen europäischen Staaten war die Unzufriedenheit unter Befürwortern populistischer Parteien besonders ausgeprägt.
Griechen und Italiener am unzufriedensten mit Demokratie
Trotz dieser scheinbar hohen Quote steht Deutschland mit diesem Wert im europäischen Vergleich noch immer relativ gut dar. So sind in Griechenland 84 Prozent unzufrieden mit dem Funktionieren ihrer Demokratie, in Italien 70 Prozent, in Ungarn 53 Prozent, in Frankreich 51 Prozent. Die wenigsten Unzufriedenen wurden mit 30 Prozent in Schweden und 34 Prozent in den Niederlanden registriert.
In fünf von zehn untersuchten europäischen Staaten nahm die Unzufriedenheit im Jahresvergleich statistisch signifikant zu. Abgenommen hat die Unzufriedenheit von 2017 auf 2018 lediglich in Frankreich - und zwar um 14 Prozentpunkte. In Frankreich fand die Umfrage vom 24. Mai bis zum 3. Juli 2018 statt, also vor Beginn der sogenannten Gelbwesten-Proteste im Herbst.
Studie: Unzufriedenheit hat wenig mit reellen Fakten zu tun
Als auffallend bewerten die Autoren der Studie zudem, dass die Unzufriedenheit offenbar nur sehr wenig mit den Fakten zu tun hat, wie wohlhabend ein Land ist und wie hoch der Grad der Demokratie. Zumindest, was internationale anerkannte Organisationen wie die Weltbank und Freedom House betrifft. Die Weltbank fördert Entwicklungsländer, während Freedom House als Nicht-Regierungsorganisation liberale Demokratien fördert.
Demokratieforscher: Alte Zwei-Drittel-Mehrheiten haben "Konflikte zugeschmiert"
Dass die Demokratie in Deutschland von immer mehr Menschen kritisch gesehen wird, hat nach Ansicht des Demokratieforschers Wolfgang Merkel unter anderem damit zu tun, dass es die "Konsenskultur" mit parlamentarischen Zwei-Drittel-Mehrheiten heute nicht mehr gebe. Diese einst satten Mehrheiten hätten "Konflikte zugeschmiert", die nun aufbrächen, sagte Merkel vor einiger Zeit der "Süddeutschen Zeitung".
Laut Merkel gäbe es jedoch mehrere Ansätze, was man gegen diesen Negativ-Trend tun könne:
- Etablierte Parteien sollten sich monothematische Diskussionen über Migration und Flüchtlinge nicht aufzwängen lassen
- Vorsicht vor dem Brechen "sprachlicher Dämme" - Merkel nennt als Negativ-Beispiel das Wort "Asyltourismus"
- Politiker dürften Probleme nicht verschweigen und müssten sie klar benennen
- Politische Debatte wieder stärker auf grundsätzliche Probleme jenseits der Migration lenken
Pew befragte für die internationale Studie zwischen dem 14. Mai und dem 12. August 2018 insgesamt 30.133 Menschen in 27 Staaten.
mit Agenturmaterial
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