DOMRADIO.DE: Jetzt haben wir möglicherweise wieder einen neuen Fall von Missbrauch, der ans Licht kommt. Ein früherer Vatikan-Diplomat, der heute im Bistum Eichstätt lebt, soll während seiner Amtszeit in Rom einen ihm unterstellten Priester sexuell bedrängt haben. Wie ist das für Sie, wenn Sie solche Meldungen hören?
Prälat Dr. Peter Klasvogt (Vorsitzender des Akademieleiterkreises deutscher katholischer Akademien): Der Ärger ist riesig und das Erste, was mir in den Sinn kam ist: "Die Wahrheit wird euch freimachen".
Verschleiern und Vertuschen nützt überhaupt nichts. Gerade wenn offensichtlich belastbares Material vorliegt, dann frage ich mich, warum das so lange dauert. Mit Papst Franziskus greift tatsächlich ein kirchliches Oberhaupt durch. Das muss wirklich vorangetrieben werden.
DOMRADIO.DE: Ganz oben ist das natürlich immer wieder Thema. Auch die deutschen Bischöfe haben auf ihrer Vollversammlung entschieden, die Themen Sexualmoral und priesterliche Lebensform im Rahmen eines sogenannten "synodalen Wegs" konkret anzugehen. Haben Sie denn das Gefühl, dass wirklich alle eine Aufarbeitung verfolgen?
Klasvogt: Gut, ich war nicht bei der Bischofskonferenz dabei. Aber man merkt einfach den öffentlichen Druck, die Sachen tatsächlich anzugehen. Ich sehe sowohl von den Bischöfen als auch von den Kirchenverantwortlichen der einzelnen Diözesen positive Bemühen, weiter aufzuarbeiten und wirklich die Dinge beim Namen zu nennen. Insofern finde ich es wichtig, wenn die Bischöfe selbst auch von "systemischen Gefährdungen" sprechen. Sie sagen, dass es drei Bereiche sind: Umgang mit Macht, Sexualmoral und die priesterliche Lebensform. Da hat uns die MHG-Studie (Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, Anm. d. Red.) auch einiges auf den Weg gegeben. Ich glaube, das sollten wir offensiv und positiv angehen.
DOMRADIO.DE: Das sind aber alles bisher nur Worte. Was konkret fordern Sie und was muss passieren?
Klasvogt: Uns war einfach wichtig, dass wir nicht nur die Bischöfe hinter verschlossenen Türen beraten lassen. Sondern auch wir wollen diese Themen ernst nehmen und aufgreifen und bieten uns als Forum für Diskussionen, für Auseinandersetzung und auch für Streit an. Aber wir bieten uns auch an, um konkrete Perspektiven zu erarbeiten und wir gehen mit Vorschlägen an die Bischofskonferenzen und die Weltkirche heran.
DOMRADIO.DE: Haben Sie da konkrete Beispiele? Was das sein kann?
Klasvogt: Wenn wir von sexuellem Missbrauch reden, ist auch die Frage, wie eigentlich die Machtstrukturen in der Kirche sind, dass so etwas überhaupt passieren kann? Ich glaube, das sind die tiefer liegenden Wurzeln, an die wir ran müssen. Der Papst spricht in letzter Zeit auch oft von "Klerikalismus". Das sind eigentlich keine neuen Dinge. Seit dem Konzil vor 50 Jahren reden wir von einem Dienstamt des Priesters. Das ist uns alles bekannt, aber es ist im Grunde nicht in den Köpfen angekommen oder eben zu wenig. Ich glaube, da müssen wir offensiv rangehen.
DOMRADIO.DE: Wie Sie schon gesagt haben, bieten Sie auch Diskussionsveranstaltungen an. Das heißt, jeder ist angesprochen und gefragt?
Klasvogt: Ja, wir haben gesagt, jede Akademie soll wirklich die Räume öffnen.
Wir laden auch Betroffene, Beschuldigte und vor allem auch Experten aus dem Bereich der Psychologie und beispielsweise auch aus dem Bereich des Kirchenrechts ein, die mit dieser Studie vertraut sind. Ebenso sind auch Kirchenverantwortliche der einzelnen Diözesen dabei. Wir müssen in einer konzertierten Aktion und zwar vor Ort, nicht nur irgendwo auf einer Meta-Ebene, diese Themen aufgreifen und bearbeiten.
Das Interview führte Verena Tröster.
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