Die Bundeskanzlerin ist mit dem Regierungsflieger „Theodor Heuss“ – ohne besondere Vorkommnisse – in Burkina Faso gelandet. Heute reist sie weiter nach Mali, um am Freitag ihre Afrika-Reise mit einem Besuch des Niger zu krönen.
Die Bundeskanzlerin ist mit dem Regierungsflieger „Theodor Heuss“ – ohne besondere Vorkommnisse – in Burkina Faso gelandet. Heute reist sie weiter nach Mali, um am Freitag ihre Afrika-Reise mit einem Besuch des Niger zu krönen.
Angela Merkel spricht vom „Hoffnungskontinent“ und schaut dabei, wie so viele Politiker, auf das Afrika der absoluten Zahlen. Das lässt vor unseren Augen in der Tat ein Traumschloss entstehen, das aus drei Bauteilen besteht: Wirtschaftswachstum, Rohstoffreserven und Ambition.
Das Bruttosozialprodukt aller afrikanischen Volkswirtschaften betrug in 2018 über 2,4 Billionen US-Dollar, es hat sich seit der Jahrtausendwende fast vervierfacht. Donnerwetter, könnte man denken.
Die Rohstoffreserven – Lagerstätten seltener Erden im Kongo und in Sambia, die Ölfelder Nigerias, Sudans oder Angolas sowie die Goldreserven Westafrikas und Simbabwes – sind ebenfalls beeindruckend: In Afrika befinden sich neun Prozent der Rohölvorräte, 40 Prozent des Goldes und 80 Prozent des Platins dieser Erde.
Wirtschaft in der Sub-Sahara schrumpft
Aber: Setzt man diese absoluten Zahlen ins Verhältnis zur wachsenden Bevölkerung, fällt das Traumschloss in sich zusammen. In den Ruinen der Selbstillusion erkennen wir das Armenhaus der Weltwirtschaft. In der Empfangshalle residieren in Prunk und Protz die Potentaten, aber auf den Fluren dahinter wird gehungert und geweint. Hier wohnen die Fluchtursachen.
Zur Person
Das Pro-Kopf-Wachstum der Wirtschaft in der Sub-Sahara hat sich seit 2007 – dem Jahr der globalen Finanzkrise – zu einer Pro-Kopf-Schrumpfung entwickelt. Betrug das Wirtschaftswachstum damals noch knapp 3,8 Prozent, sank die Wirtschaftsentwicklung laut den zuletzt verfügbaren Zahlen der Weltbank 2016 (-1,47) und 2017 (-0,18) unter die Nulllinie. Nahezu alle wichtigen Staaten des südlichen Afrikas melden einen sinkenden Pro-Kopf-Wohlstand. Insgesamt macht der Anteil von Sub-Sahara-Afrika an der Weltwirtschaftsleistung nur noch 1,7 Prozent aus. Millionen Menschen sitzen deshalb auf gepackten Koffern.
Bevölkerung wächst rasant
Wir erleben nicht den Höhepunkt, sondern den Beginn einer Entwicklung: Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass sich die Bevölkerung Afrikas zwischen 2000 und 2050 verdreifachen wird – von heute 800 Millionen Menschen auf 2,4 Milliarden. In dieser Ungleichzeitigkeit – die Wirtschaft wächst, aber die Bevölkerung wächst schneller – liegt das afrikanische Dilemma. Mit Sprechzettel-Diplomatie samt politischer Folklore lassen sich diese Fluchtursachen nicht bekämpfen. Oder um es mit Hannah Arendt zu sagen: „Die Geschäftigkeit ist zu einer Hauptwaffe bei der Abwehr der Wirklichkeit geworden.“
„Es ist immer der gleiche Ablauf“
Mit Wolfgang Drechsler habe ich für den Morning Briefing Podcast über die wahre Wirklichkeit gesprochen. Er lebt und arbeitet seit 1995 als Afrikakorrespondent in Kapstadt. Für ihn ist Merkels Reise eine „Beruhigungspille für das deutsche Volk“. Seine Beobachtungen:
„Es ist immer der gleiche Ablauf: Ankunft mit Nationalhymnen, Gespräch mit dem Staatschef, irgendein runder Tisch mit der Zivilgesellschaft, Bankett, Weiterflug. Ich halte von solchem Aktionismus gar nichts.“
Man kann die Tragik Afrikas auch so beschreiben: Die dortigen Gesellschaften schenken Leben und begünstigen damit das Sterben. Europäische Politiker sehen das Problem, aber vermeiden, es zu adressieren. Sie wollen wirken, aber nicht in Afrika, sondern im heimischen Fernsehen.
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