Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Großbritannien zur Klärung seiner Rolle in Europa aufgefordert. Nach der Volksabstimmung zum Austritt aus der EU stehe das Land heute vor der Perspektive, sich aus der Realität des vereinten Europa wieder zurückzuziehen, sagte Steinmeier am Donnerstag in Aachen.
"Wenn nicht in eine 'splendid isolation', dann doch in eine 'splendid distance'", so der Bundespräsident im Rahmen der Verleihung des Karlspreises an den britischen Historiker Timothy Garton Ash (61).
"Sollte Großbritannien eines Tages nicht mehr zur Realität der EU gehören, es bleibt immer Teil der europäischen Idee", so Steinmeier. Das britische Erbe von Liberalität, Demokratie und Aufklärung sei "für Europas Selbstverständnis unverzichtbar".
Großbritannien soll "Teil der europäischen Idee" bleiben
Eben weil man auch nach einem "Brexit" Nachbarn und eng miteinander verflochten bleibe, führte der Bundespräsident aus, müsse Großbritannien seine künftige Rolle klären. Wolle es zurück zum jahrhundertelangen "Spiel der Balance of Power, zum misstrauischen Austarieren des Kräftegleichgewichts"? Dann werde Großbritannien nun weiter kritisch darüber wachen, dass weder Frankreich noch Deutschland und erst recht nicht Deutschland und Frankreich zusammen zu viel Macht in Europa anhäuften - und "genau das könnte man aus britischer Sicht ja heute befürchten, nach der Wahl Emmanuel Macrons", so Steinmeier.
Er wünsche sich etwas anderes, sagte der Bundespräsident: "ein Großbritannien, das über die alte Realpolitik hinausschaut, das Teil der europäischen Idee bleibt und ihr Geltung verschafft in der Welt". Die "Idee Europas, die Herrschaft von Recht über Willkür, von Freiheit über totalitäre Ideologie", bleibe auch ein britisches Anliegen.
In Europa sei es weiter das Ziel, Demokratie und Freiheit ihr Recht zu verschaffen
Den "Brexit" bezeichnete Steinmeier als ein "Alarmsignal dafür, dass in unseren Gesellschaften etwas auseinanderdriftet". Man drohe in Europa "nicht nur nicht mehr miteinander zu reden - wir verlieren sogar die gemeinsame Sprache".
Dabei gelte es im heutigen Europa der Demokratien weiterhin, Demokratie und Freiheit ihr Recht zu verschaffen. Der Bundespräsident wörtlich: "Niemals und nirgendwo in Europa dürfen wir uns daran gewöhnen, dass die Freiheit, dass die Idee von Europa eingeschränkt wird!"
Steinmeier äußerte sich in der Laudatio für den britischen Historiker und Publizisten Timothy Garton Ash (61). Er erhielt im Krönungssaal des Aachener Rathauses den Internationalen Karlspreis. Garton Ash hatte den "Brexit" als "meine größte politische Niederlage" bezeichnet. Steinmeier entgegnete tröstend: "Lieber Herr Garton Ash, wir rufen Ihnen heute zu: Sie bleiben bei uns - so oder so!"
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