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Sunday, December 31, 2017

FOCUS-Online-Serie: 8 Tage, die die Welt verändert haben - 19. November: Als die FDP Jamaika platzen ließ und CSU und Grünen eine Last nahm

FOCUS-Online-Serie: 8 Tage, die die Welt verändert haben: 19. November: Als die FDP Jamaika platzen ließ und CSU und Grünen eine Last nahm
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2017 war ein bewegtes politisches Jahr. FOCUS Online blickt in einer Serie von Experten-Beiträgen zurück auf acht Ereignisse, die die Welt verändert haben. Teil 7: Der Parteienforscher Oskar Niedermayer analysiert den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen.

Sonntag, 19. November 2017: In der Nacht vom 19. auf den 20. November verkündete FDP-Chef Christian Lindner, dass seine Partei aus den Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis aussteigt. Dies bedeutete das Aus für eine mögliche Koalition aus Union, Grünen und den Liberalen. Und hatte zur Folge, dass Deutschland nach den Bundestagswahlen vom 24.September auch am Ende des Jahres noch immer keine neue Regierung hat.

Die innenpolitisch wohl spannendste Nacht des Jahres 2017 war die Nacht vom 19. auf den 20. November, als die Jamaika-Verhandlungen in der Schlussphase waren und schließlich kurz nach Mitternacht von der FDP abgebrochen wurden. Dies führte zwar nicht zu einer Staatskrise, wie manche behaupteten, aber zu einer Krise der Regierungsbildung, wie sie in der gesamten bundesrepublikanischen Geschichte noch nicht vorgekommen ist. Um die Verhandlungen und ihr Ende besser zu verstehen, lohnt ein Blick auf die spezifischen, sehr unterschiedlichen Interessen der vier beteiligten Parteien.

Die Union hatte bei der Bundestagswahl das zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Parteigeschichte eingefahren, was vor allem auf die Flüchtlingspolitik Angela Merkels zurückzuführen war. Ihr Image war daher angeschlagen und ihre innerparteilichen Kritiker sahen sich bestätigt. Die Strategie des Merkel-Lagers in der CDU zielte daher darauf ab, die Reihen zu schließen und die Jamaika-Sondierungen unter allen Umständen zum Erfolg zu führen, um eine weitere Amtszeit Merkels sicherzustellen.

8 Tage, die die Welt verändert haben: Serie im Überblick

Das schloss das Beharren auf eigenen inhaltlichen Forderungen und roten Linien aus und machte die Moderation und Kompromissorientierung zum Leitprinzip der Verhandlungen. Dieses Leitprinzip war auch dafür verantwortlich, dass man die wirklich strittigen Punkte immer wieder nach hinten schob, um einen frühzeitigen Abbruch der Gespräche zu vermeiden. Man hoffte darauf, dass die Dynamik einer nächtlichen Schlussrunde die Partner bei den wesentlichen Dissenspunkten zum Einlenken bringen würde. Das war aber schon bei der eigenen Schwesterpartei sehr fraglich.

Über den Experten

Oskar Niedermayer ist emeritierter Professor des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft an der FU Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Parteien- und Wahlforschung.

Interessen der CSU

Die Mehrheit in der CSU führte ihre eigene Niederlage in Bayern vor allem darauf zurück, dass ihr Parteichef Horst Seehofer zunächst Merkels Flüchtlingspolitik monatelang scharf kritisiert hatte, vor der Wahl aber eingeknickt war und einem Waffenstillstand mit der CDU zugestimmt hatte, ohne dass die grundlegenden Differenzen ausgeräumt waren. Daher bestand sie darauf, vor den Sondierungen mit den anderen Parteien einen Kompromiss mit der CDU in der Flüchtlingspolitik herbeizuführen.

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Das Verhandlungsergebnis, das eine verklausulierte Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und die eindeutige Festlegung auf eine Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs enthielt, markierte für die CSU das Äußerste an Nachgiebigkeit in dieser Frage. Damit war klar, dass hier – und bei weitem nicht nur hier – die Interessen von CSU und Grünen diametral entgegenstanden. Zudem wurde die Kompromissfähigkeit der CSU-Verhandler noch durch den aufbrechenden parteiinternen Machtkampf beeinträchtigt, bei dem CSU-Chef Seehofer massiv unter Druck geriet.

Interessen der Grünen

Für die Grünen ging es in den Gesprächen vor allem darum, nach der 2013 verpatzten Gelegenheit zur Regierungsbildung diesmal grundsätzliche Regierungsfähigkeit zu demonstrieren und nach außen geschlossen aufzutreten. Allerdings waren die inhaltlichen Differenzen zwischen den Flügeln nicht verschwunden und die Basis hatte auf dem letzten Parteitag rote Linien in der Klima-, Verkehrs- und Flüchtlingspolitik vorgegeben. Dieses Dilemma lösten die Grünen Verhandler geschickt, indem sie in einigen Bereichen in der Frage der Mittel nachgaben und dadurch Kompromissfähigkeit demonstrierten, aber in ihren grundsätzlichen Zielen hart blieben.

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Interessen der FDP

Für die FDP gab es nach ihren Erfahrungen mit früheren schwarz-gelben Regierungen und dem Verlust der parlamentarischen Repräsentation durch die Wahl von 2013 ein wesentliches Ziel: Sie wollte auf jeden Fall vermeiden, ihr Come-Back dadurch gleich wieder zu gefährden, dass man ihr wieder das Image der Umfallerpartei verpasste, die wegen ein paar Ministerposten in einer Regierung ihre Prinzipien aufgibt. Daher machte sie von Anfang an deutlich, dass sie die Gespräche ergebnisoffen führen und einer Koalition nur zustimmen würde, wenn sie einige ihrer wesentlichen Ziele in für sie annehmbaren Maße durchsetzen könnte.

Man konnte im Verhandlungsverlauf den Eindruck gewinnen, dass diese Interessenlage der FDP gerade von Angela Merkel, die den Grünen in einigen Bereichen – etwa beim Kohleausstieg – deutliche Zugeständnisse machte, während sie in anderen Bereichen –  etwa beim Budget für die Eurozone – schon ausgehandelte Kompromisse zulasten der FDP wieder aufschnürte – nicht ernst genug genommen wurde.

Spätestens als am Sonntagmorgen Lindner die CDU und CSU aufforderte, gemeinsam mit der FDP die Gespräche abzubrechen, was diese ablehnten, war klar, dass es darum ging, wer den Schwarzen Peter für ein mögliches Abbrechen der Verhandlungen bekommt. Der fiel dann an die FDP, was CSU und Grüne von der Last befreite, die Verhandlungen wegen des immer noch nicht gelösten Symbolthemas Familiennachzug selbst abzubrechen oder einzuknicken.     

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