Schluss für Schulz: Der Noch-Parteichef der SPD rettet sich doch nicht ins Außenamt. Er verzichtet auch auf diesen Posten, um ein Ja der Mitglieder für eine neue große Koalition nicht zu gefährden. Behält Sigmar Gabriel nun sein Amt? So kommentiert die deutsche Presse den Schulz-Rückzug.
„Der Griff nach dem Ministerposten war die fieseste Intrige in der deutschen Parteienwelt seit Jahren“
Volksstimme (Magdeburg): „Nach zahlreichen Volten, die in aus den Höhen grenzenloser Popularität in tiefste politische Abgründe stürzen ließen, war der Griff nach dem Ministerposten die fieseste Intrige in der deutschen Parteienwelt seit Jahren. Den eigenen Genossen und Vorgänger Sigmar Gabriel derart schäbig aus dem Amt zu kanten, hätte den SPD-Entscheid wohl zugunsten der GroKo-Gegner entschieden.
Es bedurfte aber erst eines Partei-Ultimatums, um Schulz zum Verzicht zu bewegen. 'Wir müssen die Distanz zwischen oben und unten überbrücken. In der Gesellschaft und in der Partei', hatte Schulz auf dem Parteitag im Dezember verkündet. Erreicht hat er das Gegenteil. Zurück ins Glied.“
„Der Hype um Schulz entpuppte sich als Verblendung“
Badische Zeitung (Freiburg): „Oje, SPD! Weit weg von der Intensivstation ist die alte Tante nicht mehr. Im Innersten zerrissen und nach außen konfus erscheint sie in diesem Zustand allenfalls bedingt regierungsfähig. Martin Schulz jedenfalls, dessen Kurzzeit-Ära nun ein jähes Ende fand, hat der SPD nicht gut getan. Der Hype um ihn entpuppte sich als Verblendung, der folgende Absturz als große Ernüchterung. Beides ist nicht nur seine Schuld. Doch das ändert nichts daran, dass der Blick auf diese Partei einen geradezu beelendet.“
„Wer selbst seine eigenen Kinder politisch instrumentalisiert, disqualifiziert sich für ein Regierungsamt“
Weser-Kurier (Bremen): „Es wäre nur folgerichtig, wenn nach diesem unwürdigen Hin und Her die fast 500.000 Genossinnen und Genossen große Lust verspüren würden, ihrer irrlichternden und egomanischen Parteiführung endgültig die Rote Karte zu zeigen. Das wäre dann das schnelle Ende der gerade erst so mühsam zusammengeschweißten Großen Koalition.
Übrig bleibt eine SPD, die auf erschreckende Weise demonstriert, dass sie nichts mehr mit sich anzufangen weiß, außer sich selbst zu demontieren. Die Schlammschlacht zwischen Sigmar Gabriel und Martin Schulz ist der schmutzige Höhepunkt. Wer selbst seine eigenen Kinder politisch instrumentalisiert, wie Gabriel es getan hat, disqualifiziert sich für ein Regierungsamt.“
„Der politische Druck, unter dem beide standen, war stärker als ihre Freundschaft“
Leipziger Volkszeitung: „Martin Schulz‘ bundespolitische Karriere endet damit fast genau ein Jahr, nachdem sie begonnen hat. Es ist eine der rasantesten und schmerzhaftesten Karrieren, die ein Politiker in Deutschland je erlebt hat.
Martin Schulz in Berlin, das ist die tragische Geschichte von Aufstieg und Fall, von Jubel und Leid, von Rausch und Kater. Und es ist die tragische Erzählung von den Grenzen der Freundschaft in der Politik. Martin Schulz und Sigmar Gabriel waren Freunde. Sie haben sich Treue und Loyalität versprochen und sich lange daran gehalten.
Aber der politische Druck, unter dem beide standen, war stärker als ihre Freundschaft. Für Schulz, weil es nach einem Aufschwung bergab ging und er sich retten wollte in das Außenministerium. Für Gabriel, weil er erstmals in der Bevölkerung beliebt war und deshalb nicht akzeptieren wollte, dass seine Karriere nicht weitergehen darf.“
„Der Machtkampf in der SPD dürfte weitergehen“
Nürnberger Nachrichten: „Die SPD-Führung kann kaum anders, als Gabriel wieder das Außenministerium anzubieten. Alles andere wäre ein noch größerer Affront gegen den derzeit beliebtesten Politiker der Republik. Damit würden sich aber möglicherweise genau jene drei Politiker – Gabriel, Nahles, Scholz – gegenseitig kaltstellen, die am ehesten in der Lage sind, die Sozialdemokraten in die Post-Merkel-Zeit zu führen. Der Machtkampf in der SPD dürfte also weitergehen – nicht zuletzt, weil Nahles und Gabriel sich spinnefeind sind.“
„Schulz hatte nicht verstanden, wie sehr er die Hoffnungen enttäuscht hatte“
Neue Osnabrücker Zeitung: „Dem Vernehmen nach hat jeder, wirklich jeder geraten, alles zu werden, nicht aber ins Kabinett einzutreten. Martin Schulz hat sich anders entschieden. Das Ergebnis ist bekannt. Die Schuld trägt er allein. Justizminister. Das wäre ihm vielleicht noch verziehen worden. Aber das Außenamt?
Schulz hatte ganz offenkundig nicht verstanden, wie sehr er die Hoffnungen im vergangenen Jahr enttäuscht hatte, und zwar umso stärker, je näher die Menschen ihn kennenlernten. Es gebietet der Anstand, nicht nachzutreten, da Schulz nun am Boden liegt. Doch sich zu beherrschen fällt schwer. Was die neue Regierung betrifft, steckt sie in ihrer ersten Krise, bevor es sie überhaupt gibt. Eine Koalitionsvereinbarung zu treffen, die gleich beide Partner Richtung Abgrund treibt, ist einmalig.“
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„Die SPD kann mit neuem Mut nach vorn schauen“
Hannoversche Allgemeine Zeitung: „Die SPD kann nach dem schwarzen Freitag mit neuem Mut nach vorn schauen. Die Koalition mit der Union, die als größtes Hindernis für die Erneuerung der Partei galt, stellt sich plötzlich als genau das heraus, was die Partei zur inneren Reinigung brauchte. Wenn sie diesen Geist in die Regierungsarbeit trägt, kann die Große Koalition auch für das Land ein Gewinn werden.“
„Sein Rückzug war die beste Entscheidung seit Monaten – auch für ihn selbst“
Augsburger Allgemeine: „Schulz fing an als einer, der sich nicht verbiegen lassen wollte. Und er endet als einer, dem die absurdesten Verrenkungen nicht zu peinlich waren, um seine eigene Karriere zu retten.
Das Scheitern des SPD-Vorsitzenden ist aber auch eine tragische Geschichte. Die Schuld an einem derart historischen Absturz, wie ihn die SPD gerade erlebt, kann unmöglich ein Mann allein tragen. Doch jene Genossen, die Schulz am Anfang noch zu Füßen lagen, traten ihn am Ende mit Füßen. Sein Rückzug war die beste Entscheidung seit Monaten – auch für ihn selbst.“
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