In Büren bei Paderborn steht Deutschlands größtes Abschiebegefängnis, rund 140 abgelehnte Asylbewerber sitzen dort in Haft. Einem Bericht des „Spiegel“ zufolge wird die Lage dort immer bedenklicher: Fast täglich soll es zu Zwischenfällen kommen.
Laut „Spiegel“ griffen die Insassen häufig das Wachpersonal an oder randalierten in ihren Zellen. Einer soll einem Bediensteten etwa mit einem Faustschlag den Kiefer gebrochen haben. In einem internen Bericht über einen anderen Inhaftierten soll es dem „Spiegel“ zufolge heißen: „Der Untergebrachte zerstörte den Fernseher, bewaffnete sich mit Scherben und drohte wiederholt damit, Kollegen umbringen zu wollen.“ Manche besonders aggressive Insassen würden in besonders gesicherte Hafträume verlegt und dort über Nacht gefesselt.
Insasse verschluckte Besteck, um nicht abgeschoben zu werden
Auch zu Selbstmordversuchen soll es immer wieder kommen. Ein Häftling aus Marokko soll seinen „gesamten Oberkörper mit Schnittverletzungen unter Zuhilfenahme einer Rasierklinge übersät“ haben. Ein anderer Insasse soll Besteck verschluckt haben, damit er nicht abgeschoben werden kann.
Das Gewaltpotenzial unter den Häftlingen habe sich zuletzt stark erhöht, sagte Anstaltsleiter Nicolas Rinösl dem „Spiegel“. Mehr als die Hälfte der Insassen habe „eine strafrechtliche Vorgeschichte“. Die Insassen seien aber nicht wegen ihrer Straftaten in Haft, sondern weil sie auf ihren Abschiebeflug warten.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen eine Vollzugsleiterin – wegen Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Sie soll angeordnet haben, einem Häftling heimlich Medizin ins Essen zu mischen, weil er diese nicht einnehmen wollte.
„Das ewige Warten zermürbt die Leute“
Einer, der die Einrichtung gut kennt, ist Frank Gockel. Er ist Sprecher des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“. Er ist jede Woche in dem Abschiebegefängnis vor Ort, bietet den Betroffenen ehrenamtlich Beratung an. Auch er beobachtet eine Zunahme der Gewalt – und macht mehrere Ursachen aus. „Uns bereitet vor allem die Anzahl der psychisch kranken Menschen Sorgen“, sagt Gockel im Gespräch mit FOCUS Online. Problematisch sei außerdem, dass es keine ausgebildeten Sozialarbeiter vor Ort gebe. Viele Menschen seien in Isolationshaft eingesperrt. Der Einzelne werde dadurch häufig noch aggressiver und trage daher nicht zu einer Entspannung der Situation bei.
Außerdem kritisiert Gockel, dass die Zeiträume bis zu einer Abschiebung zu lang sind: „Es gibt viele Menschen, die zwölf Wochen in Büren sitzen, weil die Behörden sich nicht vernünftig koordinieren und die Abschiebung nicht vorangetrieben wird. Das ewige Warten zermürbt die Leute.“ Viele der Gefangenen – vor allem diejenigen aus Algerien und Marokko – hätten bereits ihre Passersatzpapiere. „Einzig der Flug kann nicht organisiert werden, weil es bei der Bundespolizei an Personal mangelt“, so Gockel.
Der Ehrenamtliche und sein Verein fordern eine externe Kontrolle: „Es gibt abgesehen von uns als NGO keine Person, die Beschwerden der Abzuschiebenden einholt und abarbeitet.“ Wer mit seinem Anliegen zur Anstaltsleitung gehe, werde kaum gehört.
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Verein fordert externes Beschwerdemanagement
In Erstaufnahmeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen ist nach Übergriffen auf Flüchtlinge durch einen Sicherheitsdienst ein externes Beschwerdemanagement eingerichtet worden. „Das müsste es in Büren auch geben, um die Situation transparent zu machen“, fordert Gockel.
Es müsse das Ziel sein, mit allen Beteiligten zu reden und nach Lösungsansätzen zu suchen. „Da muss dann auch besprochen werden, wie erreicht werden kann, dass psychisch Kranke eher in Krankenhäusern als in Isolationshaft untergebracht werden“, sagt Gockel.
Integrationsministerium räumt Probleme ein
Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium hat die Probleme in der Abschiebehaftanstalt indes eingeräumt: Die Zusammensetzung der Inhaftierten habe sich verändert. Der strafrechtliche Hintergrund vieler Insassen führe zusammen mit dem wachsenden Aggressionspotenzial zu erschwerten Bedingungen insbesondere für das Sicherheitspersonal, erklärte ein Ministeriumssprecher.
Vorwürfe, dass das Personal im Umgang mit den Inhaftierten zu zweifelhaften Methoden greife, wies das Ministerium zurück. „Unserem Haus sind keine Fälle bekannt, in denen das Personal seine Kompetenzen überschritten und Gefangene nicht nach geltenden rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt hat“, teilte die Behörde mit. Um besser auf die Probleme reagieren zu können, will die Landesregierung das Gesetz zur Abschiebehaft verschärfen.
Landesintegrationsminister Joachim Stampf (FDP) hatte bereits im März in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk über die Lage in Büren gesagt, „da tanzen jetzt doch einige der dort Inhaftierten den Mitarbeitern ziemlich auf der Nase herum und deswegen muss es Korrekturen geben, bei den Schließzeiten und es muss Korrekturen geben, beispielsweise bei der Handy-Nutzung“.
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