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Wednesday, May 30, 2018

Regierungschaos in Italien: - Politik-Experte: „Ein Euro-Austritt wäre Selbstmord“

Regierungschaos in Italien:: Politik-Experte: „Ein Euro-Austritt wäre Selbstmord“
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Politikwissenschaftler Roman Maruhn ist ausgewiesener Italien-Experte. Im Interview spricht er über innere und äußere Feinde der EU, Südländer-Stereotype wie folkloristische Lässigkeit und einen unterstellen imperialen Masterplan Deutschlands. Außerdem beantwortet er: Was sind die Druckmittel Italiens auf die EU?

FOCUS Online: Drei Monate nach der Wahl in Italien sollte die panpopulistische Koalition aus Lega und Fünf-Sternen werden, da scheitert es an einer Personalie. Wie sehr hat Sie das überrascht?

Roman Mahrun: Irgendwie war das eigentlich zu erwarten: schon die Einigung auf einen Koalitionsvertrag zwischen M5S und Lega war nicht selbstverständlich. Dass dann die Koalitionäre mit dem Bestehen auf dieser Personalie die Regierung quasi selbst vor ihrer Geburt beerdigt haben, ist vielleicht auch ein Stück Taktik. Überrascht bin ich nicht.

FOCUS Online: Staatschef Sergio Mattarella lehnte den Vorschlag der koalitionswilligen Lega und Sterne ab, den ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona zum neuen Finanzminister zu ernennen. Hätten Lega und Sterne damit nicht rechnen müssen?

Mahrun: Ja, die Koalitionäre haben damit dem Staatspräsidenten einen guten Grund geliefert. Dass Sie dennoch an Savona festgehalten haben, und damit sich letztlich über den Staatspräsidenten gestellt haben, war ein Politikum und musste vom Präsidenten schon allein aus Gründen der wirtschaftlichen Stabilität Italiens so beantwortet werden.

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"Die Kompromissbereitschaft war wohl erschöpft"

FOCUS Online: Warum haben Lega und Sterne bis zuletzt auf Savona beharrt, gab es keine Alternative?

Mahrun: Es gab Alternativen, allerdings waren war wohl die Kompromissbereitschaft erschöpft. Zudem scheinen beiden Parteien schnelle Neuwahlen recht zu sein, weil sie sich erwarten, Zugewinne an Wählerstimmen zu machen.

FOCUS Online: Vor allem zwischen Deutschland und Italien wurden die Spannungen zuletzt immer größer. Was erzürnt die Italiener?

Mahrun: Es ist auffällig, wie im EU-Europa spätestens seit der Finanz-, Wirtschafts- und Haushalts- und der Griechenlandkrise massiv nationale Vorurteile auf beiden Seiten gepflegt werden: während wir Deutschen den Italienern und den Südländern generell folkloristische Lässigkeit und wirtschaftliche Trittbrettfahrerei unterstellen, wittern zum Beispiel die Italiener - und dort ganz besonders M5S und Lega - einen imperialen Masterplan Deutschlands den Rest Europas zu unterjochen. Das ist natürlich pure Verschwörungstheorie, Propaganda und Populismus. Es braucht viel Arbeit im deutsch-italienischen Verhältnis und besonders zwischen den Menschen beider Länder, um vernünftig zu diskutieren.

"Ich tippe auf schnelle Neuwahlen"

FOCUS Online: Wie geht es jetzt in Italien weiter und wie stehen die Prognosen, sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen?

Mahrun: Ob es überhaupt zu einer Technikerregierung unter Carlo Cottarelli kommt, muss man sehen: Ich sehe keine Mehrheiten im Parlament. Insofern tippe ich auf schnelle Neuwahlen. Allerdings werden die vermutlich auch keine klare Mehrheit bringen: die italienischen Parteien, auch M5S und die Lega, die in vielen Bereichen äußerst problematische Positionen vertreten, müssen sich daran gewöhnen Koalitionsregierungen zu schließen, die auch in Italien und Europa akzeptable politische Ziele haben.

FOCUS Online: Welche Rolle spielen die immer wieder aufkommenden Äußerungen über den Wunsch nach einem Euro-Austritt und einem „Plan B“ Savonas?

Mahrun: Den Euro als Ursache und nicht, was er ist, als Symptom der nationalen Probleme und Missstände zu betrachten, ist schlicht dumm und falsch. In den 20 Jahren der politischen Karriere Berlusconis - im Übrigen unter kräftiger Mithilfe der Lega - wurde versäumt, vernünftige Politik zu machen und mit Reformen Italien nicht nur erfolgreicher, sondern auch sicherer, sauberer und schöner zu machen. Italien hat schon genug Probleme, ein Euro-Austritt, nun ja, ist kein Experiment, sondern Selbstmord.

FOCUS Online: Als wie gefährdet betrachten Sie die Einheit Europas aktuell?

Mahrun: Die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und besonders die progressiven Länder, also die Länder, die die EU weiter entwickeln wollen, müssen erklären, wofür die europäische Integration gut ist. Und das ist schwieriger geworden, nachdem die EU nicht nur intern - im Falle Italiens die Lega und M5S - Feinde hat, sondern auch von außen versucht wird, Europa zu schwächen: Russland hat das klare Ziel, Europas Einheit zu schwächen und kann sich dabei auf ein Netzwerk an befreundeten Parteien in Europa - in Deutschland die AfD - stützen.

Technokratische Regierung in Italien ist nicht ausgemacht

FOCUS Online: Mit dem Ökonomen Carlo Cottarelli steht Italien nun vor einer technokratischen Regierung. Wie dürfte das beim Volk ankommen?

Mahrun: Achtung, das ist noch nicht so klar: Cottarelli mit seiner Vorgeschichte beim IWF wird sicherlich zur Entspannung beitragen können, aber nicht als Freund des Volks wahrgenommen werden.

FOCUS Online: Di Maio erhob den Vorwurf, Mattarella sei vor der internationalen Finanzlobby eingeknickt, statt den mehrheitlich vom Volk gewählten Parteien den Regierungsauftrag zu erteilen. Lautet das Signal an die Italiener tatsächlich: Es ist überflüssig wählen zu gehen?

Mahrun: Diesen Konflikt schüren natürlich Di Maio und Salvini: sie wollen Italien und sein System einer repräsentativen Demokratie delegitimieren. Aber der „Volkswille“, auf den sie sich berufen, ist eine auch emotionale politische Momentaufnahme, von der nicht zum Beispiel die Mitgliedschaft in der Währungsunion abhängen sollte.

FOCUS Online: Ist es aus Sicht der Lega sinnvoll auch bei künftigen Wahlen eine Koalition mit den Fünf Sternen anzustreben?

Mahrun: Lega und M5S sind Protest- und Antisystemparteien. In der aktuellen immer noch schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Italiener haben sie leichtes Spiel, mit vermeintlich einfachen Lösungen wie Einwanderer zu bekämpfen und den Euro zu verlassen, bei Menschen in materieller Not zu punkten. Das vereint beide Parteien, die viel versprechen, aber letztendlich keine positiven Perspektiven aufzeigen, sondern nur durch die erklärte Feindschaft mit dem „alten System“ existieren und Erfolg haben können.

Bei Bestellung der Regierung spielt Präsident eine bedeutende Rolle

FOCUS Online: Besteht ein offener Konflikt zwischen den Institutionen Präsidialamt und Parlament?

Mahrun: Nein, es gibt keinen Konflikt zwischen diesen Verfassungsorganen. In der Phase der Bestellung der Regierung hat der Präsident eine bedeutende Rolle und das Parlament das letzte Wort. Es ist kein Konflikt, sondern ein ausgefeiltes - und zugegebenermaßen komplexes - System gegenseitiger politischer Kontrolle. Darüber legt sich natürlich die normale Konkurrenz politischer Parteien.

FOCUS Online: Wie könnte Savonas „Plan B“ für den Euro-Austritt, der Deutschland und den anderen Partnern in der Währungsunion Zugeständnisse abringen soll, aussehen?

Mahrun: Italien kann sehr wohl in Europa massiven Einfluss geltend machen - das hat die letzte Regierung vorsichtig aber nachhaltig in der Frage der Flüchtlingshilfe gezeigt. In der reinen Konfrontation geht nicht viel in Europa - man braucht Geduld, Intelligenz, Ausdauer und Kontinuität. Und man muss konstruktiv sein!

FOCUS Online: Unter welchen Vorzeichen und mit welchen Parolen dürfte ein kommender Wahlkampf geführt werden?

Mahrun: Da dürften die Grundthemen des letzten Wahlkampfs aufgewärmt werden. Hinzu könnten überraschende thematische Vorstöße der Parteien kommen, die jetzt bei der Regierungsbildung außen vor waren - ich denke an Berlusconis Forza Italia und auch den Partito Democratico: beide Parteien sollten sich nicht die Chance nehmen lassen, sich auch als Alternative anzubieten.

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