In Kürze will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seine Pläne für die Anker-Zentren vorstellen. Nach der Devise „alles unter einem Dach“ sollen Schutzsuchende künftig zügig erfahren, wie es mit ihnen weitergeht. Doch die Skepsis ist groß. Nun deutet einiges darauf hin, dass es neben Zentren der reinen Lehre auch „ankerähnliche“ Einrichtungen geben wird.
Ankunft hier, Entscheidung dort, warten allerorten – diese Zeiten in der deutschen Flüchtlingspolitik sollen ein Ende haben. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) treibt sein Projekt der Anker-Zentren („Anker“ steht für Aufnahme, Entscheidung, Rückführung) voran. Nur: Treiben genug mit, damit das Ganze ein Erfolg wird? Und: Ist das Projekt bei genauer Betrachtung überhaupt praxistauglich?
Die Idee ist simpel: Wer in Deutschland Schutz sucht, soll ohne endlose bürokratische Verzögerungen eine rechtssichere Antwort auf seine Asylanfrage bekommen. Das Bundesamt für Migration (Bamf), Jugendämter, Justiz und Ausländerbehörden sollen in den Ankerzentren ohne Reibungsverluste eng zusammenarbeiten. Ein Hauptziel: Nur die Flüchtlinge werden in ganz Deutschland auf die Städte und Dörfer verteilt, die eine echte Chance haben – eine „positive Bleibeprognose“, wie es in Bürokratendeutsch heißt.
Verhindern, dass gut integrierte Menschen nach langem Warten abgeschoben werden
Mit einem Entscheider-Netzwerk unter einem Dach soll vermieden werden, dass nach endloser Wartezeit schließlich Menschen abgeschoben werden, die dem Handwerker am Ort eine wichtige Stütze sind, die in der Fußballmannschaft eine entscheidende Rolle spielen oder die selbst echte Freunde in Schule und Beruf gefunden haben. Wenn Menschen das Land verlassen müssen, die sich heimisch eingerichtet und bestens integriert haben, kommt es immer wieder zu wahren Wut-Wellen. Nicht nur enttäuschte Asylbewerber, sondern auch viele Einheimische, blicken dann mit großem Unverständnis auf einen Staat, der ihnen so etwas antut. Das soll mit Seehofers Prestige-Projekt möglichst von vornherein verhindert werden.
CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag verabredet, dass sie die Entscheidungen unter einem Dach in Anker-Zentren wollen. Manchem aber erscheint der Weg bei genauerer Betrachtung inzwischen offenbar doch nicht mehr so attraktiv. Bei einem Großeinsatz der Polizei bei einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Ellwangen kam es vor wenigen Wochen zu Gewalt-Exzessen, als dort ein 23-jähriger Togoer in Abschiebehaft genommen werden sollte. Typisch für größere Zentren? Wächst automatisch die Aggression, wenn zu viele Menschen auf zu engem Raum zusammenleben müssen? Die Zentren sollen, so ist zu hören, für 1000 bis 1500 Asylbewerber geplant werden. Offiziell bestätigt ist diese Größenordnung bisher nicht.
Wegen Bamf-Skandals: Mehrheit der Deutschen misstraut Asyl-Entscheidungen
Werden Schutzsuchende dort menschenwürdig leben können?
Der Repräsentant des UN-Flüchtlingskommissariats in Deutschland, Dominik Bartsch, meldete Zweifel an, ob das Vorhaben wirklich so ausgestaltet werden kann, dass Schutzsuchende menschenwürdige Bedingungen vorfinden. Die Polizeigewerkschaften ließen schon wissen, sie wollten diese Zentren nicht bewachen. Seehofer stellte hier Unterstützung durch die Bundespolizei in Aussicht.
Viele CDU-Leute beschleicht zunehmend das Gefühl, dass sich die SPD bei diesem Thema nun in die Büsche schlagen will. Die Spitze ihrer Partei habe einhellig festgestellt, dass sie hinter den Anker-Zentren stehe, betonte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zuletzt nach der Sitzung der Parteigremien. Und: „Ich hoffe, dass sich die SPD-Verantwortlichen an das erinnern, was sie im Koalitionsvertrag unterschrieben haben.“ Es gebe hier offenkundig eine „Doppelstrategie“ einiger SPD-Größen, kritisierte Kramp-Karrenbauer. Neben Ländern wie Berlin oder Thüringen lehnt auch Rheinland-Pfalz die Zentren bisher ab. Deren Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) aber sei „als stellvertretende Bundesvorsitzende prominent beteiligt gewesen“ an den Absprachen, rügt Kramp-Karrenbauer.
CDU-Generalsekretärin: "Es geht um ein flächendeckendes Netz"
Ziel sei ein „flächendeckendes Netz“ mit möglichst einer Einrichtung in jedem Bundesland, betont die CDU-Managerin. In Ländern mit CDU-Regierungsbeteiligung gebe es die Bereitschaft eigene Einrichtungen einzubringen, ganz neue aufzubauen oder nach der Pilotphase Anker-Zentren ins Auge zu fassen.
Die Länder-Vertreter halten sich bisher auffällig bedeckt mit öffentlichen Zusagen. Ein schnörkelloses Ja kam bisher nur aus Bayern und Sachsen. Für Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sind die Zentren ein Weg, um die Situation für Flüchtlinge „verlässlicher zu machen“ und bei den Verfahren „stringenter“ zu sein. Sachsen beteiligt sich mit einer Piloteinrichtung.
Auch "ankerähnliche Zentren" in Sicht
Stockt der gesamte Plan? Läuft es? „Derzeit wird unter Einbeziehung des Bamf geklärt, welche Länder sich an den Piloten beteiligen und welche Standorte hierfür in Betracht kommen“, beschreibt das Bundesinnenministerium den Stand der Dinge. Danach soll eine „Planungs- und Umsetzungsphase der Pilotprojekte“ starten. Aktuell sei „mit etwa fünf Piloten bis August/ September 2018“ zu rechnen, meldet ein Sprecher.
Zugleich mehren sich nun die Hinweise, dass es weniger um den Aufbau riesiger neuer Zentren gehen könnte als um den Aus- und Umbau bestehender Einrichtungen. Aufnahmezentren plus oder so. Dann wird es wohl neben Anker-Zentren der reinen Lehre künftig auch ankerähnliche Einrichtungen oder Zentren mit Anker-Elementen geben. Der Vorteil für Seehofer: Gibt es schon bald Häuser, die zumindest eine verbesserte Effizienz versprechen, dann könnte er sein Gesicht wahren. Bestehende Einrichtungen würden „ergänzt und optimiert", kündigte Seehofer zuletzt geheimnisvoll an.
Ankerähnliche Zentren gibt es in der Tat schon einige. So arbeiten im hessischen Gießen viele unterschiedliche Entscheider im Asylprozess eng zusammen. Auch die Einrichtung im saarländischen Lebach kommt dem Anker-Modell recht nahe. Auch das Transitzentrum Manching arbeitet nach der Grundidee. Als „Blaupause“ für Anker-Zentren gilt in CDU-Kreisen die zentrale Einrichtung in Heidelberg (Baden-Württemberg).
"Masterplan kommt in Kürze"
Den Ländern kommt eine Schlüsselrolle zu. Jamaika, R2G, große Koalitionen, Schwarz-Gelb, Grün-Schwarz, Schwarz pur, Linksbündnis, rote Ampel – noch nie wurde die Bundesrepublik in den Ländern so vielfältig regiert. Das heißt auch: Wenn sich die Bündnispartner nicht einigen, läuft meist erst einmal nichts. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster gegenüber FOCUS Online wirbt: „Die Ankerzentren werden das, was sich alle wünschen, sie werden mehr Qualität und Schnelligkeit gleichzeitig bringen." Er rechnet mit zwei oder drei Bundesländern, die vorangehen. „Dann werden die anderen Länder merken, dass es funktioniert und lohnt."
Welche Bundesländer am Ende mitziehen, wird sich auch an der Frage entscheiden, wie Horst Seehofer die Details ausgestaltet. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles wehrt sich gegen den Vorwurf, Länder unter sozialdemokratischer Führung blockierten fest verabredete Projekte der großen Koalition; die Kollegen machten „nur darauf aufmerksam, dass sie nicht wissen, was auf sie zukäme“, betont Nahles.
Das soll sich offenbar bald ändern. Seehofers „Masterplan“ für Integration soll „in Kürze“ kommen, meldet sein Ministerium.
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