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Monday, July 30, 2018

Höherer Fahndungsdruck bringt nichts - Polizei sucht 126.000 Ausreisepflichtige: Warum es schwer ist, sie zu finden

Höherer Fahndungsdruck bringt nichts: Polizei sucht 126.000 Ausreisepflichtige: Warum es schwer ist, sie zu finden
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Die Polizei in Deutschland fahndet derzeit nach fast 300.000 Menschen, wie die „Welt am Sonntag“ (WamS) unter Berufung auf das Bundeskriminalamt berichtet. Unter den zur Fahndung Ausgeschriebenen seien 126.327 ausreisepflichtige Ausländer. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte laut WamS, den Fahndungsdruck zu erhöhen – vor allem über die sogenannte Schleierfahndung, wie sie zum Beispiel in Bayern praktiziert wird.

FOCUS Online hat mit dem Polizeiwissenschaftler Rafael Behr darüber gesprochen, was hinter den Zahlen zu den offenen Haftbefehlen steckt und welche Fahndungs-Maßnahmen sinnvoll sind.

1. Warum gibt es überhaupt so viele offene Haftbefehle?

Wichtig ist zunächst, zu verstehen, wer eigentlich in Deutschland per Haftbefehl gesucht wird und was die Polizei mit dieser Information anfängt. „Die landläufige Vorstellung ist, ein Haftbefehl bedeute, dass die Polizei nach der Person sucht, die gefährlich sei“, sagt Polizeiwissenschaftler Behr. Eigentlich sei es aber so, dass ein Haftbefehl ausgestellt werde, wenn andere Mittel nicht griffen. Der Forscher nennt als Beispiel jemanden, der sieben Mal schwarzgefahren ist und die entsprechenden Bußgeldbescheide ignoriert – etwa, weil er die Strafe nicht zahlen kann. Bei sehr vielen Haftbefehlen gehe es „um Armutskriminalität und nicht um die Dinge, bei denen ich sagen würde, dass sie den Bestand unserer Rechtsordnung gefährden“, sagt Behr.

2. Nach wem die Polizei intensiv sucht – und nach wem nicht

Hat jemand ein schlimmes Verbrechen wie einen Mord oder eine schwere staatsgefährdende Straftat begangen, gibt es den hohen Fahndungsdruck, wie ihn sich der CDU-Innenexperte Schuster auch für andere Fälle wünscht. Behr nennt als Beispiel Zielfahnder, die zum Beispiel nach Terrorverdächtigen suchen und deren Erfolgsquote er auf 80 bis 90 Prozent schätzt. Sie gäben selbst jedoch keine Daten zur Aufklärungsquote heraus. Bei Mord betrage die Aufklärungsrate deutlich mehr als 90 Prozent.

Der Polizeiwissenschaftler wehrt sich daher gegen den Eindruck, Deutschland habe wegen der vielen noch nicht vollstreckten Haftbefehle ein Sicherheitsproblem. „Deutschland ist kein Land, in dem Verbrecher frei herumlaufen“, betont er.

Nach Menschen, die Bußgelder nicht gezahlt haben oder Kleinkriminellen sucht die Polizei in der Regel nicht aktiv. Aber die Beamten haben in ihren Datenbanken Informationen dazu gespeichert, nach wem gefahndet wird. Gerät jemand in eine Kontrolle, für den ein Haftbefehl besteht, vollstreckt die Polizei ihn. Das bedeutet, auch Kleinkriminelle, die die Polizei nicht sofort erwischt, können den Beamten noch ins Netz gehen.

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3. Was hat es mit den ausreisepflichtigen Ausländern auf sich?

Ausreisepflichtige Ausländer können abgelehnte Asylbewerber sein, aber zum Beispiel auch Touristen, deren Visum abgelaufen ist. Die Informationen dazu, wer Deutschland verlassen muss, stammen von den Ausländerbehörden der jeweiligen Bundesländer und werden im Ausländerzentralregister gesammelt. Die Polizei geht davon aus, dass ein Teil dieser Menschen schon gar nicht mehr in Deutschland ist. Nicht alle melden sich bei der Ausreise ab. Und selbst wenn sie sich abmelden, landen die Daten teils gar nicht oder erst mit Verspätung im Ausländerzentralregister.

Es ist wahrscheinlich, dass zumindest ein Teil der Ausreisepflichtigen irgendwo in Deutschland untergetaucht ist. Verhindern kann die Polizei das in der Regel nicht: Der Aufwand, alle Ausreisepflichtigen zu bewachen, wäre viel zu hoch und außerdem ein Eingriff in die Grundrechte. Denn das würde bedeuten, jedem Ausreisepflichtigen zu unterstellen, dass er sich der Ausreisepflicht entziehen will.

4. CDU-Innenexperte fordert mehr Schleierfahndung, um Untergetauchte zu finden. Was ist das und bringt das etwas?

Der CDU-Politiker forderte in der „WamS“, den Fahndungsdruck nach Menschen zu erhöhen, für die es offene Haftbefehle gibt. Dabei sei die sogenannte Schleierfahndung das „Nonplusultra“, sagte Schuster.

Heute versteht man unter Schleierfahndung meist Polizeikontrollen ohne konkreten Verdacht in der Nähe von Landesgrenzen. Solche verdachts- und anlasslosen gibt es zum Beispiel in Bayern. Polizeiwissenschaftler Behr gehört zu den Experten, die der Methode skeptisch gegenüberstehen.

Er ist der Meinung, „dass die polizeiliche Professionalität leidet, wenn die Polizei keinerlei Kriterien dafür entwickelt, wo und wen sie kontrolliert“, sagt Behr. Mache man keine Vorgaben, wer eigentlich verdächtig ist, leiste das oft dem „Racial Profiling“ Vorschub. Das bedeutet, dass vor allem ausländisch aussehende junge Männer kontrolliert werden, unabhängig davon, ob sie einer Straftat verdächtig sind.

Behr betrachtet anlasslose Kontrollen als Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Eigentlich müsse man davon ausgehen können, dass man nicht mit der Polizei zu tun bekomme, wenn man sich nichts zuschulden kommen lässt. „Das Prinzip der Unschuldsvermutung wird mit den verdachtsunabhängigen Kontrollen völlig aufgegeben“, kritisiert der Polizeiwissenschaftler.

Abgesehen davon hat er einen pragmatischen Einwand gegen solche Kontrollen: den mangelnden Erfolg. Kontrolliere man gezielt aufgrund eines Fahndungsbilds, sei die Erfolgsquote nachgewiesenermaßen höher als bei Kontrollen ohne solche Vorgaben.

5. Experte: Man kann fahnden – aber man sollte wissen, warum und nach wem

Bei Kontrollen, wie sie Schuster vorschweben, gehen der Polizei vor allem kleine Fische ins Netz, hat Behr beobachtet. Wer wirklich gefährlich sei, wisse, wie man durch das Raster falle. „Der perfekte Terrorist wäre eine blonde Frau Mitte 40, vielleicht ein bisschen übergewichtig“, sagt der Polizeiwissenschaftler. „Die werden nämlich so gut wie nie kontrolliert.“

Video: Polizei-Ausbilder erklärt: Das ist das eigentliche Problem beim „Racial Profiling“

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