69 Afghanen wurden Anfang Juli aus Bayern abgeschoben, CSU-Chef Seehofer triumphierte. Einer der Abgeschobenen nahm sich das Leben. Danial M. aber ist der Abschiebung durch Zufall entgangen und befindet sich nun seit vier Wochen im Kirchenasyl.
DOMRADIO.DE: Wie kam es, dass Danial bei Ihnen Kirchenasyl gefunden hat?
Simon Froben (Pfarrer der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayreuth): Wir waren mit ihm schon vorher in Kontakt. Wir kannten seine Geschichte und seine ganzen Unterlagen. Nachdem er nicht abgeschoben werden konnte am 3. Juli, weil er krank bei seiner Freundin war, ist er wieder ganz normal zur Schule gegangen. Er befürchtete dann, in Abschiebehaft genommen zu werden. Daruafhin hat er sich an unsere Kirchengemeinde gewandt und um Kirchenasyl gebeten.
DOMRADIO.DE: Und was heißt das ganz genau? Wie lebt er denn jetzt?
Froben: Er lebt hier auf dem Grundstück der Kirchengemeinde. Er hat ein eigenes Zimmer. Wir haben glücklicherweise eine Küche und Sanitäranlagen direkt in unserem Gebäude. Er darf ja das Gebäude, beziehungsweise das Grundstück nicht verlassen. Von seiner Familie, von seinen Freunden, von seiner Freundin – von den Menschen, die ihm wichtig sind – bekommt er Besuch. Aber er darf nicht aus der Kirche raus.
DOMRADIO.DE: Er ist 22 Jahre alt und hat eine Ausbildung gemacht. Wie lange lebt er schon in Deutschland?
Froben: Er ist noch keine drei Jahre in Deutschland, spricht aber schon wunderbar deutsch, ist wirklich bestens integriert. Er hat in Deutschland privat einen Sprachkurs gemacht, ebenso den qualifizierenden Hauptschulabschluss und sich danach um eine Lehrstelle bemüht. Diese wurde ihm jedoch nicht genehmigt. Also hat er eine schulische Lehre für Versorgung und Ernährung begonnen. Da waren eigentlich die Weichen bestens gestellt, sodass er hier in Deutschland bleiben könnte, eben auch bei seiner Familie. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt: von seiner Familie, die mit ihm bei Kulmbach lebt, war er noch nie so lange getrennt, wie jetzt in diesen Wochen des Kirchenasyls.
DOMRADIO.DE: Aber wenn das alles so gut gelaufen ist, warum sollte er überhaupt abgeschoben werden?
Froben: Als die Familie nach Deutschland kam, war Daniel bereits 18, deshalb wurde sein Asylantrag getrennt von den Asylanträgen der Familie behandelt. Er gilt also als alleinstehender junger Mann. Das ist – wenn man so will – in den Augen der Behörden schon fast eine vierte "Tätergruppe" geworden. Neben den Gefährdern, den Straftätern und den sogenannten Identitätsverweigerern, die nach Afghanistan abgeschoben werden, ist nun auch das Tor offen, weitere Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Danial war als alleinstehender junger Mann einer davon. Es wurde also nicht berücksichtigt, dass er mit seiner Familie hier ist.
DOMRADIO.DE: Wie kommt er mit der Situation jetzt klar?
Froben: Die Situation ist für ihn sehr bedrängend, er ist hier eingesperrt, es ist vollkommen unsicher, wie es weitergeht. Die Angst davor, eventuell doch nach Afghanistan abgeschoben zu werden, ist auch immens. Sehr wohltuend ist die Unterstützung, die er erfährt, nicht nur durch die ihm nahestehenden Menschen, sondern auch durch viele Menschen, die von diesem Fall jetzt hören und sich dann auch bei ihm melden und in Kontakt treten. Das gibt uns auch Hoffnung, dass wir mit dem Hinweis auf diesen besonderen Härtefall mit dem Kirchenasyl als "Ultima Ratio" auch Erfolg haben werden.
DOMRADIO.DE: In Bayreuth bei den Wagner-Festspielen geben sich in diesen Tagen die Politiker die Klinke in die Hand. Die Kanzlerin war da, Verteidigungsministerin von der Leyen, FDP-Chef Lindner. Kann man diese Prominenz nutzen, um auch mehr Aufmerksamkeit auf Danial und seine Situation zu lenken?
Froben: Es war eine Hoffnung insbesondere zum Beginn der Festspiele, dass vielleicht dadurch ein Kontakt entstehen könnte zu einem der Politiker, die auch Entscheidungen treffen. Das ist bis jetzt nicht so gewesen. Vielleicht ergibt sich das aber auch noch im Laufe der nächsten Wochen.
DOMRADIO.DE: Wie stehen seine Chancen, dass er hier bleiben kann?
Froben: Wir sind auf verschiedenen Wegen tätig. Ein Anwalt ist aktiv, wir haben eine Petition an den Bayerischen Landtag gestellt. Es gibt eine Online-Petition auf "Change.org" mit dem Stichwort Danial mit fast 15.000 Unterstützerinnen und Unterstützer. Das Medienecho, das vor allem auch durch Herrn Seehofer und seinen Geburtstag hervorgerufen wurde, macht uns im Ganzen doch Hoffnung, dass sein Fall dann wirklich ernsthaft überprüft wird. Aber wir haben es nicht in unserer Hand. Es ist ganz schwer einzuschätzen.
DOMRADIO.DE: Wie sehen Sie die Rolle der Kirche in solchen Situationen? Sie helfen, aber wie sehen Sie das politisch?
Froben: Als Kirche gehen wir zunächst einmal mit den Menschen, die bei uns vor der Tür stehen, um. Ob das nun ein Mensch ist, der als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist, oder ob das jemand ist, der seelische oder soziale Nöte hat. Wir kümmern uns um diese Menschen. Die Frage des Kirchenasyls ist ein Politikum und auch eine Frage des Rechts, das wir voll und ganz zunächst einmal auch unterstützen und nicht infrage stellen wollen. Allerdings weisen wir dann in unserer Rolle immer wieder auch auf die Einzelfälle hin. Ob dieses Recht, wie es hier in Deutschland angewandt wird, dann auch wirklich den Einzelfällen gerecht wird – ist auch etwas, das jedes Rechtssystem braucht.
Das Interview führte Heike Sicconi.
*Der Beitrag "Seehofers 70. Afghane ist seit vier Wochen im Kirchenasyl" stammt von DOMRADIO.DE. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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