2. Juli 2017, die erste Etappe der Tour de France beginnt in Düsseldorf. Eren R. arbeitet als Wachmann für eine Sicherheitsfirma, soll hinter einem Hotel in Mönchengladbach aufpassen, dass sich niemand an den Begleit-Fahrzeugen der Radsport-Teams zu schaffen macht. Wenn er einen Terroranschlag hätte verüben wollen, wäre das die perfekte Gelegenheit gewesen, erzählt der heute 25-jährige R. offen im ZDF.
Der Mann, der als Wachmann auf die Fahrzeuge aufpasste, stand zu diesem Zeitpunkt schon seit längerer Zeit auf der Liste der islamistischen Gefährder des Bundesverfassungsschutzes.
Er ist einer der rund 1000 Gefährder, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weil sie eine Bedrohung für die Bundesrepublik darstellen. Er wolle raus aus der islamistischen Szene, aussteigen – und gehe deswegen an die Öffentlichkeit, sagt R.. Verschiedene Unterlagen, die dem ZDF vorliegen, zeichnen seinen von Gewalt und Kriminalität geprägten Lebensweg nach, der ihn mehrfach ins Gefängnis führte.
Annäherung an die salafistische Szene
Aufgewachsen in einem katholischen Kinderheim, habe er erst mit 12 Jahren erfahren, dass er kein katholischer Junge, sondern der Sohn einer muslimischen Mutter sei, erzählt er. Die habe ihn zurückgewollt, doch dadurch sei alles nur noch schlimmer geworden. Er landete wieder im Heim, fing an, Straftaten zu begehen und wurde der Anführer einer kriminellen Jugendgang.
Dann die Annäherung an eine salafistische Bewegung in Mönchengladbach. Mit gerade einmal 16 Jahren. Er habe in der extremistischen Gruppe seine „Glaubensbrüder“ gesehen und Spaß daran gefunden, die Mitbürger in Mönchengladbach durch öffentliche Gebete auf dem Marktplatz zu provozieren. "Wir verabscheuen euch und das westliche Leben. Wir machen hier, was wir wollen", sei damals eines der Credos gewesen, nach denen er und seine „Brüder“ gelebt hätten, wie R. erzählt. Die Delikte häuften sich, und kurz darauf sei er das erste Mal im Gefängnis gelandet, in der Justizvollzugsanstalt Iserlohn.
Laut Aussagen von Mitarbeitern der Anstalt gegenüber dem ZDF habe R. damals einen vorbildlichen Eindruck gemacht, wolle nach Ablauf seiner Haftstrafe auf ein Sportinternat gehen. Doch dazu sei es nie gekommen, seine islamistische Gesinnung habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.
„Ich war zu logistischer Unterstützung bereit“
Er habe den Kontakt zur Szene gesucht, mit bekannten Größen wie Abu Ibrahim und Bernhard Falk kommuniziert, berichtet das ZDF. Der eine ist einer der Anführer der gewalttätigen Salafistenszene in Deutschland, der andere wurde von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder mit Kontakten zur Terrororganisation Al-Kaida eingestuft. R. landete nach seinem ersten Aufenthalt in der JVA Iserlohn noch mehrfach im Gefängnis, nach einem Angriff auf einen Gefängniswächter in der JVA Aachen kam er sogar in Einzelhaft.
Kurz darauf, als damals 23-Jähriger, wurde R. vom Verfassungsschutz als Gefährder eingestuft. Der Verfassungsschutz sei sich bis heute nicht sicher, ob Eren R. jemals vorhatte, einen Anschlag zu verüben, R. selbst spricht davon, zu „logistischer Unterstützung“ bereit gewesen zu sein.
Der 2. Juli 2017, der Tag der Tour de France-Etappe, änderte für Eren R. alles.
Am selben Tag stürmte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei R.s Wohnung, um ihn festzunehmen. Der Verdacht: Er soll an der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat beteiligt gewesen sein. Den Plan für einen Terroranschlag auf eine Behörde in einer deutschen Großstadt habe es nach ZDF-Informationen wohl wirklich gegeben, zur Ausführung kam es aber nie. R.s Rolle in dem Plan sei ebenfalls nicht final geklärt, berichtet der Sender.
Er steht immer noch auf der Liste islamistischer Gefährder
Das Verfahren gegen ihn wurde Monate später eingestellt. Konkrete Anschlagspläne waren nicht nachweisbar. Für ihn persönlich sei die Festnahme ein einschneidendes Ereignis gewesen, es habe ihn dazu bewegt, die islamistische Szene verlassen zu wollen, sagt R. heute. Die Szene, die ihn seit seinem 16. Lebensjahr geprägt hatte, für die er mehrmals in Gefängnis wanderte.
Sein Umdenken verdankt er auch einer nicht näher genannten Person, die ihm „Zusammenhalt, familiäre Bindung, also all das, wonach ich damals in der Szene gesucht habe“, gegeben habe.
Auf der Liste islamistischer Gefährder steht R. immer noch, für seinen Gang an die Öffentlichkeit könnte er von der islamistischen Szene als Verräter abgestempelt werden. Doch R. scheint entschlossen zu sein. Er wolle mit seinem Ausstieg anderen die Augen öffnen und eine Vorreiterrolle einnehmen. Deshalb gehe er auch mit seinem vollen Namen und der ungeschönten Geschichte an die Öffentlichkeit. Auch TV-Auftritte plant er.
"ZDF Info" sendet am Freitag, 31. August, um 20.15 Uhr die Reportage "Der Gefährder - Ein Islamist packt aus" über Eren R.
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