Das Schaulaufen bei den Regionalkonferenzen ist vorbei. Jetzt beginnt die zehrende Zeit des Wartens. In knapp einer Woche wird der neue Vorsitzende der CDU gewählt. Oder die Vorsitzende? Annegret Kramp-Karrenbauer wirkt im Interview mit FOCUS Online ziemlich zuversichtlich. Ihr Plan für die CDU: eine breit aufgestellte Partei ohne Angst vor der AfD.
Der Ku’dam ist eine der wichtigsten Promenaden Deutschlands, Promis sieht man hier oft – da dreht man sich nicht so leicht um. Doch die Frau im dunkelblauen Parka fällt auf. Passanten stoßen sich gegenseitig an, schauen hin, schauen nochmal hin. Annegret Kramp-Karrenbauer ist schließlich nicht irgendwer: Sie könnte in knapp einer Woche zur Vorsitzenden der CDU gewählt werden. Danach hätte sie eine exzellente Startposition, um Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zu werden. Dramatische Zeiten für die Saarländerin.
Die 56-Jährige aber wirkt seltsam unaufgeregt, als sie Margarete van Ackeren und Christoph Pagel in ihrem Kurzzeit-Büro in Ku’damm-Nähe, im Schatten der Berliner Gedächtniskirche begrüßt.
Reinkommen, Parka ablegen, ein paar freundliche Worte wechseln, loslegen. Im Interview verrät sie, was sie der CDU zu bieten hat – und was sie im Fall der Fälle Deutschland zu bieten hätte. Ein Gespräch über Fehler der Vergangenheit, Zukunftspläne, ihre Mitbewerber Friedrich Merz und Jens Spahn, die richtige Antwort auf die AfD und – über Annegret Kramp-Karrenbauer.
FOCUS Online: Haben wir Sie da richtig verstanden: In einer Woche sind Sie entweder Vorsitzende der CDU Deutschlands, oder Sie sind eine Privatfrau, die sich ehrenamtlich für die CDU engagiert?
Annegret Kramp-Karrenbauer: Es gibt in der CDU genau ein bezahltes Hauptamt: das der Generalsekretärin. Ich habe gesagt: „Wenn ich nicht Parteivorsitzende werde, räume ich auch den Platz der Generalsekretärin.“ Das ist ein Gebot der Fairness gegenüber dem neuen Parteichef. Ansonsten stelle ich mich weiter in den Dienst der Partei, wenn das gewünscht wird. Wo immer mich die CDU gebrauchen kann.
FOCUS Online: Da wäre also ein Comeback als Bundesministerin möglich?
Kramp-Karrenbauer: Die Frage stellt sich nicht. Denn das entscheidet die Regierungschefin. Und wenn ich mir das Kabinett anschaue: Es ist voll besetzt.
Bleibt Merkel bis 2021 Kanzlerin?
FOCUS Online: Sie rechnen also damit, dass Angela Merkel als Kanzlerin die volle Amtszeit bis zum Spätsommer 2021 bleibt?
Kramp-Karrenbauer: Ich werde als Vorsitzende alles daransetzen, dass das so bleibt. Das hat etwas mit politischer Stabilität im Land zu tun. Wenn der größte Staat Europas während der Vorbereitungen zum Brexit ausfällt, weil er in Neuwahlen steckt, hätte das nicht nur nationale, sondern auch europäische Folgen. Ich kann für die CDU sagen: Wir werden uns so verhalten, dass die Regierung unter Merkel gestützt wird.
FOCUS Online: Sie organisieren Ihren „Wahlkampf“ ja nicht aus dem Konrad-Adenauer-Haus, sondern privat. Sie haben zum Beispiel Mitarbeiter angeheuert und ein Büro angemietet. Haben Sie mal nachgerechnet, welche Kosten Ihnen entstanden sind?
Kramp-Karrenbauer: Nein. Ich bin aber sehr dankbar. Denn das sind nicht irgendwelche Leute, sondern es ist mein saarländischer Landesverband, fast das alte 2017er Wahlkampfteam. Es gibt auch viele, die mich finanziell unterstützen.
FOCUS Online: Die Entscheidung wird wohl superknapp. Es sieht nach einem Foto-Finish zwischen Ihnen und Friedrich Merz aus. Lesen Sie die Umfragen?
Kramp-Karrenbauer: Nein, die versuche ich zu ignorieren. Das habe ich immer so gehalten. Am Ende ist es die ganz persönliche Entscheidung von 1001 Delegierten. Die stehen natürlich in Rückkopplung auch zu ihren Mitgliedern und Verbänden. Die Zeiten aber, in denen man Delegierte einschwören konnte, sind lange vorbei. Die Entscheidung fällt am Freitag. Alles andere ist Kaffeesatzleserei.
Ist da noch wer als Aki Watzke im Einsatz?
FOCUS Online: Es wird kolportiert, der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, sei für Friedrich Merz unterwegs. Ist für Sie vielleicht auch ein oder eine Aki Watzke am Start?
Kramp-Karrenbauer: Das wäre schwieriger, weil Friedrich Merz ja Teil von Borussia Dortmund ist und ich nicht. Dass im Hintergrund Gespräche geführt werden, ist nicht wirklich überraschend. Aber die Zeiten, in denen es am Vorabend in den Delegiertengruppen Kommandos gibt Marke „Jetzt allemal für den oder die stimmen“, sind vorbei.
FOCUS Online: Wie ist das jetzt: Annegret Kramp-Karrenbauer oder Friedrich Merz oder Jens Spahn – ist das nicht doch eine Richtungsentscheidung für die CDU?
Kramp-Karrenbauer: Wir haben ein gemeinsames Fundament, auf dem wir alle drei stehen. Sich da künstlich abzugrenzen, wäre Quatsch. Aber natürlich stehen wir auch für bestimmte Richtungen.
„Bewiesen, wie man Wahlen gewinnt“
FOCUS Online: Gehen wir es doch einmal durch: Jens Spahn …?
Kramp-Karrenbauer: Jens Spahn steht für eine sehr kritische Begleitung der Migrationspolitik Angela Merkels.
FOCUS Online: Friedrich Merz?
Kramp-Karrenbauer: Bei ihm gibt es die Projektion einer eher wirtschaftsliberalen Ausrichtung. Jeder bringt da sein eigenes Gepräge mit.
FOCUS Online: Kramp-Karrenbauer?
Kramp-Karrenbauer: In mir sehen viele diejenige, die die Partei zusammenführen und zusammenhalten kann und darüber hinaus Menschen bindet.
FOCUS Online: Zu Recht?
Kramp-Karenbauer: Ja. Denn das habe ich in der Vergangenheit bewiesen. Man gewinnt keine Wahlen mit über 40 Prozent, wenn man nicht über den eigenen Kernbereich hinaus Leute ansprechen kann.
„Auch nach Niederlage zusammenbleiben“
FOCUS Online: Am Ende kann nur einer oder eben eine gewinnen. Fürchten Sie nicht, dass danach einige sehr enttäuscht sind und eine neue Kluft in der CDU entsteht?
Kramp-Karrenbauer: Die Mitglieder erwarten, dass es danach keine Spaltung der Partei gibt. Jeder von uns hat die Verantwortung, dass er im Fall seiner Niederlage seine Anhänger in die Pflicht nimmt, damit wir alle zusammenbleiben. Es gibt erkennbar den Wunsch, dass alle drei danach aktiv dabeibleiben.
FOCUS Online: Wir haben in den letzten Wochen unglaublich viel gehört, was sich bei der CDU ändern soll. Was ist für Sie das Entscheidende?
Kramp-Karrenbauer: Ich nennen das immer „Umkehr der Methodik“.
FOCUS Online: Umkehr der Methodik?
Kramp-Karrenbauer: Die neuen Themen müssen in der Partei viel stärker diskutiert und erarbeitet werden. Schon Anfang 2019 müssen wir die vielen Praktiker, die wir zum Beispiel bei der inneren Sicherheit haben, an einen Tisch bringen. Daraus sollten sich dann auch Vorschläge für eine verzahnte nationale und europäische Sicherheitspolitik ergeben. Und wir müssen unsere Haltung zur Rente der Zukunft klären.
Von AfD „nicht ins Bockshorn jagen lasen“
Kramp-Karrenbauer: Sie haben in dieser Woche gesagt: „Wir machen da die schlechteste Politik, wo wir nur von Angst vor der AfD getrieben sind.“ Wie also sieht Ihrer Meinung nach eine selbstbewusste Strategie gegen die AfD aus?
Kramp-Karrenbauer: Wir haben das gerade bei der Diskussion um den UN-Migrationspakt ziemlich gut praktiziert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat selbstbewusst und nüchtern unsere Haltung formuliert und klar gemacht, dass der Pakt auch Deutschland hilft. Wir dürfen uns nicht bei Debatten, in denen Trigger-Wörter wie „Migration“ vorkommen, gleich ins Bockshorn jagen lassen. So nach dem Motto „Da könnte die AfD einsteigen, davon lassen wir besser die Finger“. Nein! Gerade bei solchen Themen müssen wir früher und öffentlich mit klaren Positionen einsteigen. Alles andere ist eine Selbstverzwergung.
FOCUS Online: Sie haben ja Angela Merkels Entscheidung, im Herbst 2015 die Grenzen offen zu halten, verteidigt. Für die Phase danach aber haben Sie sich schon von ihr abgegrenzt. Für welche Flüchtlingspolitik steht nun Annegret Kramp-Karenbauer?
Kramp-Karrenbauer: Wir brauchen ein System der offenen Binnengrenzen. Niemand profitiert so sehr wie wir von „Schengen“ und dem offenen Binnenmarkt. Gerade deshalb braucht es ein wirksames Außengrenzen-Regime. Entweder gesamteuropäisch gesteuert oder durch die einzelnen Staaten oder auch in einer Kombination aus beidem. Wir brauche zudem ein intelligentes Grenzregime im nationalen Bereich – so wie wir es ja jetzt im „Masterplan“ auf den Weg gebracht habe.
Soziales Pflichtjahr für Flüchtlinge
FOCUS Online: Und dazu gehört?
Kramp-Karrenbauer: Es geht zum Beispiel um Transitzentren und die Möglichkeiten zu Schleierfahndungen. Zudem müssen die Verfahren viel schneller gehen. Ich bin seit langem eine Verfechterin der „Anker“-Zentren, bei denen alle Entscheidungen unter einem Dach fallen. Es ist auch für die Betroffenen unmenschlich, wenn sie ewig warten müssen. Und wenn dann entschieden ist, dass jemand nicht bleiben darf, muss er das Land sehr schnell verlassen. Vorzugsweise freiwillig, aber sonst auch mit strikter Rückführung. Das gilt vor allem, wenn diese Menschen bei uns kriminell werden. Nichts verletzt das Rechtsgefühl so sehr, wie wenn die Bürger sehen: Wir haben Menschen Schutz gewährt, und sie verstoßen fundamental gegen unsere Regeln. Die Innenpolitiker suchen gerade nach einer Lösung, auch lebenslange Wiedereinreisesperren durchzusetzen. Im Idealfall sollte die dann für den gesamten Schengen-Raum gelten.
FOCUS Online: Also: Abschiebungen auch nach Syrien?
Kramp-Karrenbauer: Immer dann, wenn es die Lage erlaubt. Die Lagebeschreibung des Auswärtigen Amtes für Syrien ist zurzeit so, dass man nicht zurückführen kann. Das akzeptiere ich. Aber das muss man regelmäßig überprüfen. Das gilt auch für die Regelungen in bestimmten Regionen von Afghanistan.
FOCUS Online: Das ging in den Regionalkonferenzen ein wenig unter: Sprechen Sie sich nun für ein soziales Pflichtjahr für Flüchtlinge aus?
Kramp-Karrenbauer: Ich bin Anhängerin eines Gesellschaftsjahres und würde das auch gern verpflichtend machen. Das sollte nicht nur für deutsche Staatsangehörige gelten, sondern auch für Menschen, die länger bei uns bleiben. Also auch für Flüchtlinge, die einen verfestigteren Aufenthaltsstatus haben. Mit so einem aktiven Dienst würde man auch Möglichkeiten schaffen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte aktiver in unserer Gesellschaft mitmachen.
FOCUS Online: Der Verfassungsschutz kommt nach Chemnitz zu dem beunruhigenden Ergebnis, dass Wut und Hass auf die Politik und deren Vertreter in der Bevölkerung wachsen. Es gebe ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber etablierten Politikern. Haben Sie diesen Hass schon einmal gespürt?
Kramp-Karrenbauer: Ja, jeden Tag. Auf der Timeline, bei Facebook. Seitdem ich im Kandidatenrennen bin, hat es zugenommen. Die Qualität der Auseinandersetzung ist schon schockierend.
FOCUS Online: Wie gehen Sie damit um?
Kramp-Karenbauer: Oft stecken ja keine natürlichen Personen dahinter. Dann lege ich das beiseite. Manchmal nehme ich auch Kontakt mit den Menschen auf. Das aber nur, wenn ich das Gefühl habe, es macht Sinn.
„Geht nicht darum, ob Trump eimal mehr lächelt"
FOCUS Online: Was glauben Sie: Woher kommt diese Angst?
Kramp-Karenbauer: Wir erleben rasante gesellschaftliche Veränderungen. Viele fühlen sich damit wohl. Es gibt aber auch Gruppen, bei denen das Angst auslöst. Sie wünschen sich, dass die Welt so übersichtlich bleibt, wie sie sie kennengelernt haben. Das ist übrigens keine Frage des Alters. Hinzukommt, dass einige Bürger den Eindruck gewonnen haben, der Staat sei nicht mehr konsequent. Dem müssen wir entgegentreten, und zwar nicht mit einem flotten Spruch, sondern mit Taten.
FOCUS Online: Beim Thema Verteidigung geben Sie sich auch entschlossen. Sie sagen „Pacta sunt servanda“, an geschlossene Verträge muss man sich halten. Also: Wann erreicht Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato?
Kramp-Karrenbauer: Wir haben schon eine Steigerung vorgenommen. Und da müssen wir konsequent dranbleiben. Wir diskutieren das Thema im Moment sehr verengt. Aber es ist nirgendwo festgeschrieben, dass das Zwei-Prozent-Ziel nur aus Ausstattung besteht. Wir müssen auch schauen, ob wir eine Infrastruktur bieten können, die eine große Truppenverlegung möglich macht. Hier geht es nicht darum, ob Donald Trump dann einmal mehr lächelt. Es geht darum, ob wir Willens sind, die internationalen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, wirklich einzuhalten. Da müssen wir ein Stück mehr Verantwortung tragen.
FOCUS Online: Bei uns im Land sieht es oberflächlich betrachtet super aus. Der Wohlstand in Deutschland wächst, dennoch leben Teile der Bevölkerung in bitterer Armut. 40 Prozent haben nichts auf der „hohen Kante“. Welches Angebot machen Sie diesen Menschen?
Kramp-Karrenbauer: Unser Grundversprechen sind ja „Wohlstand für alle“ und „Leistung muss sich lohnen“. Das müssen wir auch einlösen.
FOCUS Online: Wo? Wie?
Kramp-Karenbauer: Beim Steuersystem etwa. Wir haben gut ausgebildete Facharbeiter, die sehen, dass bei einer Lohnerhöhung das Meiste direkt ans Finanzamt durchgereicht wird. Weiter: Wenn jemand, der lange gearbeitet hat und dann fast genauso schnell in die Grundsicherung rutscht wie jemand, der in seinem ganzen Leben noch keinen Tag gearbeitet hat, entwertet das für diese Leute ihre Leistung. Auch bei der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand müssen wir besser werden.
FOCUS Online: … auch ein Thema von Friedrich Merz …
Kramp-Karenbauer: Wir können auch auf andere Länder schauen. Norwegen oder Schweden sind ja auch keine marktradikalen Gesellschaften. Aber dort wird Vermögensbildung stark über Aktien aufgebaut. Was mich auch umtreibt, sind die Kinder in Hartz-IV-Bezug, die einen enormen Start-Nachteil erfahren. Hier brauchen wir bessere Ergebnisse.
„Bis 2020 kommt ein großer Aufschlag“
FOCUS Online: In Ihrer Partei wurde ziemlich über den Vorschlag der Grundsicherung der Grünen gelästert. Aber immerhin legt die Partei ein großes sozialpolitisches Konzept vor. Wann ist bei einer CDU-Vorsitzenden „AKK“ mit einem großen Aufschlag in der Sozialpolitik zu rechnen?
Kramp-Karrenbauer: Die Frage drängt sich von selbst auf die Agenda – genauso wie eine große Steuerreform. Aber auch in Zeiten der Digitalisierung gilt: Das Erwirtschaften kommt vor dem Verteilen. Wir geben erste Antworten in unserem Antrag zur Sozialen Marktwirtschaft auf dem Parteitag. Auch im Grundsatzprogramm werden wir weitere Klarheit schaffen. Bis 2020 kommt ein großer Aufschlag mit konkreten Antworten.
FOCUS Online: Es geht ja auch um die Finanzierung. Sie haben im Bundestagswahlkampf 2013 gefordert, die Einkommenssteuer auf das Niveau der 90er Jahre, anzuheben. Damals lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent. Gilt das noch?
Kramp-Karrenbauer: Nein, das war damals ja eine ganze andere Zeit. Wir haben jetzt Überschüsse in allen Haushalten. Deswegen geht es mir jetzt eher um die Frage, wie wir die Einkommenssteuer in einer großen Reform gestalten, damit wie die kalte Progression dauerhaft weiter eindämmen. Auch die komplette Abschaffung des „Soli“ steht dringend an.
Merz „Theorie“, Sie „Praxis“?
FOCUS Online: Kränkt es Sie, wenn Friedrich Merz sagt, dass die CDU konkrete Linien vermissen lässt?
Kramp-Karrenbauer: Auf der einen Seite kluge Regierungspolitik, die auch immer auf einem Kompromiss basiert, zu machen und auf der anderen Seite ein eigenes Profil zu entwickeln – das ist nicht einfach. Aber es geht. Ich hatte die Chance, das unter Beweis zu stellen.
FOCUS Online: Sie meinen: Merz ist die Abteilung Theorie und Sie die Abteilung Praxis?
Kramp-Karrenbauer: Ich habe meine Regierungserfahrung.
FOCUS Online: Merkel und Merz – das ging vor Jahren ja gar nicht zusammen. Glauben Sie, dass die beiden im Fall der Fälle miteinander könnten?
Kramp-Karrenbauer: Das müssen die beiden beantworten. Fakt ist: Bei mir wissen alle, dass ich gut mit Angela Merkel zusammenarbeiten kann. Auch in den vergangenen Monaten, in denen wir ja auch die ein oder andere schwierige Situation hatten. In anderen Konstellationen müssen sie darauf hoffen.
Merkel und die Charakterfrage
FOCUS Online: Bei den Regionalkonferenzen schien es, als wollten sie es vermeiden, den Namen der Kanzlerin zu nennen. Zufall?
Kramp-Karrenbauer: Jeder weiß, wo ich stehe und wie meine Beziehung zu ihr ist. Ich brauche mich nicht künstlich von ihr zu distanzieren. Das ist für mich eine Charakterfrage. Aber ich brauche auch nicht demonstrativ meine Nähe zu ihr zu betonen. Ich glaube, dass die CDU erst mit der Zeit wirklich erkennt, was sie Angela Merkel zu verdanken hat.
FOCUS Online: Sie haben für sich ja deutlich ausgeschlossen, Ministerin unter Friedrich Merz zu werden. Dürfte er unter Ihnen Minister werden?
Kramp-Karrenbauer: Das ist ja keine Frage, die er oder ich entscheidet, sondern eine Frage, die die Kanzlerin entscheidet.
FOCUS Online: Aber Sie wollen doch Kanzlerin werden, oder?
Kramp-Karrenbauer: Ich will jetzt Parteivorsitzende werden. Alles andere ergibt sich eventuell in der Zukunft.
FOCUS Online: Also würden Sie ihm dann ein Amt anbieten?
Kramp-Karrenbauer: Die Frage wäre zunächst, welche Ressorts wir bekommen. Dass ich als Ministerpräsidentin jemand war, der in seinem Kabinett gerne profilierte Köpfe für alle Richtungen hat, ist bekannt.
Tage der emotionalen Achterbahnfahrten
FOCUS Online: Sie haben spannende Tage vor sich: Alles oder nichts – das sind ja auch emotional wahre Achterbahnfahrten. Wie gehen Sie damit um?
Kramp-Karrenbauer: Gelassen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich vor einer solch wichtigen Entscheidung stehe. Im vorigen Jahr zur Landtagswahl im Saarland …
FOCUS Online: … die Sie mit über 40 Prozent gewonnen haben …
Kramp-Karrenbauer: … habe ich ja auch gesagt, dass ich nur als Ministerpräsidentin zur Verfügung stehe. Ich empfinde es als tolle Gelegenheit, in einer für die CDU so wichtigen Phase eine aktive Rolle spielen zu können.
FOCUS Online: Wirklich? Egal, wie es aussieht?
Kramp-Karrenbauer: Ich hätte fast gesagt „Es ist die Zeit meines Lebens.“ Die Regionalkonferenzen fühlen sich an wie die organische Fortsetzung der Zuhörtour. Man lernt viel und entwickelt sich auch als Person weiter. Ich genieße die Zeit.